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Vulkanpark

Vulkanpark

Titel: Vulkanpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Keiser
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erweiterte Faserbestimmung ist hocheffizient. Auch wenn es Tausende
von Jeans gibt, bekommt jede Jeansfaser durch chemische Elemente bei
Herstellungsprozess, Waschen und Tragedauer eine Individualität und ist dadurch
von anderen Jeans zu unterscheiden. Wenn du mir die Hose eines Verdächtigen
bringst, kann ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, ob sie
materialgleich mit unseren asservierten Fasern ist.«
    »Und
wenn er sie inzwischen gewaschen hat?« Clarissa blieb skeptisch.
    Frankenstein
grinste siegessicher: »Auch dann. Das nützt ihm gar nichts.«
    »Es sei
denn, er hat die Jeans entsorgt«, meinte Clarissa trocken. »Was ich als Erstes
tun würde, hätte ich so was getan.«
    »Und
wenn schon. Wenn ich hierbei nichts Brauchbares finde«, mit der Hand wies er
auf die vor ihm ausgebreitete Kleidung, »dann geb ich mein Diplom zurück.«
    »Das
Mädchen«, Franca betrachtete die Kordel in der Plastiktüte. »Lara Weisglas hat
von einer weißen Kordel erzählt, mit der der Mann, den sie Zauberer nannte,
Zaubertricks vollführte.«
    »Damit
wären wir also wieder ein Stück weiter«, sagte Hinterhuber zufrieden.

36
     
    »Ich hab keinen Appetit.«
Rainer Liebermann schob seinen gefüllten Teller in die Mitte des Tisches und
stützte den Kopf in die Hände. Andrea betrachtete ihren Mann. Er hat sich
verändert, dachte sie. Früher hat er sich stets heißhungrig über das Essen
hergemacht. Er ist dünner geworden. Die Furchen in seinem Gesicht werden
tiefer, und sein Haar wird immer lichter. Andererseits, auch sie wurde nicht
von den Zeichen der Zeit verschont.
    »Du
verschmähst meine gute Küche? Das ist aber nicht nett«, versuchte sie einen
scherzenden Ton. Sie hatte Schweinelende gebraten, dazu gab es Kroketten und
Salat. Ein Festmahl ohne wirklichen Anlass. Der Tisch war für drei gedeckt,
doch Konstantin war unterwegs. Nicht mal angerufen hatte er.
    »Tut
mir leid.« Rainer wirkte angespannt. »Man hat mich gebeten, den
Trauergottesdienst für den ermordeten Jungen zu halten.«
    »Du?«
Andrea sah ihren Mann erstaunt an. Eigentlich wollte Andrea die Gelegenheit
ergreifen und in Ruhe mit ihrem Mann über ihren Sohn sprechen, doch die
Neuigkeit verdrängte die Dringlichkeit ihrer eigenen Wünsche.
    Rainer
Liebermann nickte gequält. »Ich hab mich nicht darum gerissen, das kannst du
mir glauben. Urlaubsvertretung für Heiner Strasser.«
    »Dann
sieh es doch als Herausforderung«, meinte sie aufmunternd. »Da hat ein Mensch
gegen ein Gottesgebot verstoßen, und von dir erwartet man nun kluge und
einfühlsame Worte.«
    »Worte,
die dieser schlimmen Sache niemals gerecht werden können.« Er schüttelte den
Kopf. »Keine Deutungskunst der Welt und auch keine noch so kluge Predigt können
dieses Verbrechen mindern oder als zwangsläufig geschehen legitimieren.«
    »Das
ist ja auch nicht dein Job«, wandte sie ein.
    »Vielleicht
nicht. Aber es ist doch die Realität. Und sollten nicht gerade wir Pfarrer
alles dransetzen, die Realität nicht schönzureden zu versuchen?«
    Sie sah
ihm forschend ins Gesicht. »Du willst mehr als eine Predigt, ja? Gerade in
diesem Fall fällt es dir schwer zu akzeptieren, dass das Böse eine solche Macht
hat und wie wenig wir dagegen ausrichten können, hab ich recht?«
    Er
schluckte. »Manchmal finde ich es beängstigend, wie gut du mich kennst.« Er
nahm seine Gabel in die Hand und drehte den Stiel gedankenverloren zwischen
seinen Fingern. »Mir geht so viel durch den Kopf: Was sagt man bloß Eltern,
deren Kind ermordet wurde, ohne dass es anbiedernd wirkt? Kann man bei all dem
Entsetzen über so etwas Schreckliches überhaupt trösten? Wie glaubwürdig ist
ein Gott, der so was zulässt? Aber ich kann auch die andere Seite nicht außer
Acht lassen: Auch der Täter ist ein Mensch, ein Kind Gottes, das unschuldig
geboren wurde, und erst im Lauf der Zeit durch Umstände, die uns nicht bekannt
sind, zum Mörder geworden ist.«
    Andrea
schüttelte den Kopf. »Du kannst nicht beiden Seiten gerecht werden.«
    »Warum
nicht? Was wissen wir denn schon?«
    »Wir
wissen, dass ein Mensch ein Kind getötet hat. Jemand, der uns noch nicht
bekannt ist. Jemand, der da draußen rumläuft und vielleicht schon das nächste
Kind im Visier hat. So jemanden kannst du doch nicht ernsthaft in Schutz nehmen
und verteidigen!«, rief sie aus.
    »Ich
verteidige niemand. Ich versuche nur zu relativieren. Die meisten Täter sind
nicht a priori böse. Nur in bestimmten Situationen, wenn sie

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