Vulkanpark
alleingelassen.
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Silbern glänzten die Flügel der
Möwen. Wie Babys schrien sie oder wie Katzenkinder. Ab und an sah man ein
großes Schiff am Horizont vorbeifahren, das über die Nordsee schipperte.
Zeeland war bekannt für seine sauberen und familienfreundlichen Strände,
deshalb hatten sie sich für dieses Urlaubsziel entschieden. Holzpflöcke ragten
weit ins Meer, die Wellen brachen sich daran, an ihnen konnte man die Höhe von
Ebbe und Flut ablesen. Ebbe und Flut. Immer wiederkehrendes faszinierendes
Schauspiel, wenn das Meer sich zurückzog, aber man wusste, es war nicht
verschwunden, es kam in einem bestimmten Zeitabstand wieder.
Dorothee
lag auf einem bunten Strandlaken, trug einen knappen Bikini und rieb sich die
warme Haut mit Sonnencreme ein. Dabei beobachtete sie das Meer. Das Heranrollen
der Wellen. Die tanzenden Schaumkronen. Die bunten Segel der Katamarane und der
Windsurfer.
Etwas
weiter vorn am Wassersaum spielten ihre beiden Kinder, die fröhlich juchzten.
Alles war friedlich, die Kinder vertrugen sich einigermaßen. Beide trugen
Sonnenhütchen, obwohl Elias sich dagegen gewehrt hatte, aber es war ihr
gelungen, ihn von der Notwendigkeit zu überzeugen. Geduldig hatte sie den
beiden erklärt, die Sonne sei nicht nur schön, sie könne auch krankmachen,
deshalb sei es wichtig, sich so gut wie möglich zu schützen. Die Haut mit einem
hohen Sonnenschutzfaktor einzucremen, gehörte dazu. Widerwillig hatte sich
Elias schließlich gefügt.
Lucia
klopfte eifrig mit der Schaufel die Mauer um die Sandburg fest. Aus Sandschlamm
formte Elias kunstvolle Verzierungen, die Spitzen und Zinnen ergaben. Michael saß
dabei und zog einen Graben drumherum. Damit der Feind nicht in die Burg
eindringen konnte, wie er den Kindern erklärte. In dem Graben floss das Wasser.
Ihre
Tochter kam auf sie zu. »Mama, schau mal, was ich gefunden habe.« Lucia hielt
eine Muschel hoch. Eine Herzmuschel. Wie Tausende an diesem Strand lagen.
»Schön«,
Dorothee lächelte. »Sammelst du die?« Die Kleine nickte eifrig und zeigte in
ihren Plastikeimer. »Ich hab schon ganz viele.« Dann lief sie wieder zu ihrem
Bruder und ihrem Papa.
Dorothee
seufzte wohlig. Es war ein harmonischer Urlaub, der ihrer kleinen Familie gut
tat. Und an den sich die Kinder noch lang erinnern würden. Dorothee hatte ein
Buch mit an den Strand genommen, doch sie kam kaum dazu, darin zu lesen. Zu
sehr lenkten sie die Eindrücke ringsum und der hohe Geräuschpegel ab.
Sie
hatten das alte Zelt vom Dachboden geholt und es auf einem Campingplatz nahe am
Strand aufgestellt. Es war zwar alles ein wenig eng. Aber sie nutzten es ja nur
zum Schlafen. Dorothee fühlte sich frei und glücklich. Michael erwies sich
einmal mehr als liebevoller Vater, der sich viel Zeit für die Kinder nahm. Er
blühte richtig auf, hier, wo er selbst wieder ein wenig Kind sein durfte.
Dieser
Urlaub war so wichtig für sie alle. Zuhause hatte sie oft gedacht, dass Michael
kurz vorm Burn-out stand, weil er sich in seinem Beruf so schwertat. Als
Altenpfleger hatte er es nicht leicht. Es hatte sich so vieles verändert, der
Druck wurde immer stärker, und die Anzahl der zu betreuenden Personen wurde
immer größer, jedoch wurden nicht mehr Pfleger eingestellt. Manchmal erzählte
er ihr von seinen Problemen. Wie wenig Zeit ihm für eine einzelne Person zur
Verfügung stünde, wie er über jede Minute Buch führen müsse, und wie die
vorgegebene Zeit hinten und vorn nicht reiche. Überstunden waren an der
Tagesordnung, ja, wurden einfach erwartet, obwohl man eigentlich mehr Personal
einstellen müsste. Dabei sprudelte ihr sonst so stiller Mann über, ereiferte
sich über Ungerechtigkeiten und Sinnlosigkeiten, die ihm zugemutet wurden. Umso
wichtiger war dieser Urlaub gewesen, um die Batterien wieder aufzuladen.
Die
Kinder kamen zu ihrem Platz zurück. »Mama, hast du unsere Burg gesehen, ist die
nicht schön?«, fragte Lucia voller Stolz.
»Die
ist wunderschön«, antwortete Dorothee lächelnd.
»Also
ich finde ja, das ist eher ein Schloss«, meinte Michael und setzte sich neben
sie. »Da wohnen König und Königin und Prinz und Prinzessin. Wisst ihr denn,
dass Holland ein Königreich ist?«
Die
Kinder machten große Augen. Er zog ein mitgebrachtes Buch hervor und las ihnen
die Geschichte von der Möwe Emma vor, beide Kinder lauschten andächtig. Auch
Dorothee hörte zu. Ihr Mann hatte eine schöne Vorlesestimme, sie konnte tief
eintauchen in die Fantasiewelt, die in ihrem Kopf
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