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Vulkanpark

Vulkanpark

Titel: Vulkanpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Keiser
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etwas
provokant in Brocks Richtung. »Ich behaupte, nein. Weil wir dabei ständig an
gedankliche Grenzen stoßen. Also müssen wir uns in eine vollkommen andere
Erfahrungswelt hineinbegeben, um zumindest ansatzweise nachvollziehen zu
können, was diesen Menschen zu seiner Tat veranlasst haben könnte. Menschliches
Verhalten ist sehr komplex. Wir sollten deshalb in unserem Beruf tunlichst
vermeiden, das Verhalten eines anderen nach unserer moralischen und ethischen
Einstellung zu beurteilen. Nur dann können wir uns den möglichen Motiven eines
Straftäters annähern.«
    Für
einen Psychologen ist Olsen ganz schön unsensibel, dachte Franca, die sich
vorstellen konnte, dass Brock diese Bemerkungen als regelrechte Standpauke
betrachtete und er sich noch mehr in seine zynische Ecke gedrängt fühlte, auch
wenn sie noch so berechtigt waren.
    »Er hat
die Kerzen auch benutzt, um dem Kind Verbrennungen zuzufügen, wie wir aus dem
Obduktionsbericht wissen«, fuhr Olsen fort. »Des Weiteren führte er eine
Baumwollkordel mit sich, um das Kind zu drosseln, sowie ein Messer. Dass er
Kondome benutzte, zeugt ebenfalls von seiner Besonnenheit.« Er hielt einen
Moment inne, als ob er erwarte, dass es wieder irgendwelche Zwischenbemerkungen
gab. Als niemand etwas sagte, fuhr er fort: »Da weder verwertbare Fingerspuren
noch wirklich DNA-fähiges Material gesichert werden konnten, ist es
wahrscheinlich, dass er Handschuhe trug. Die wurden allerdings nicht gefunden.
Ebenso wenig wie Kondome. Das lässt auf weiteres strukturiertes Verhalten
schließen. Er wollte so wenig wie möglich von sich hinterlassen, das Aufschluss
über seine Persönlichkeit geben kann. Er war sich also über sein Tun und dessen
mögliche Konsequenzen völlig im Klaren.«
    Olsen
sah kurz mit zusammengekniffenen Augen in die Runde. »Während des Missbrauchs
oder auch danach drosselte er das Kind mit der Kordel, würgte es mit seinen
Händen, wahrscheinlich um seine Lust zu steigern und verging sich an ihm.
Schließlich hat er dem bereits toten Kind mit einem Messer die Halsschlagader
durchtrennt.«
    Franca
beobachtete Clarissa, doch sie ließ sich nichts anmerken. Ihre Augen hingen an
den Lippen des Profilers. Sie war voll konzentriert auf das, was er sagte.
    »Was
ist mit dem Messer? Ist das inzwischen aufgetaucht?«, wollte der Staatsanwalt
wissen. Seine Hände spielten mit einem Kugelschreiber. Unter seinen Anzugärmeln
schauten blütenweiße Manschetten hervor.
    »Wir
haben wirklich jeden Stein umgedreht und nichts gefunden. Deshalb nehmen wir
an, es befindet sich noch im Besitz des Täters«, antwortete Frankenstein.
Bedauern schwang in seiner Stimme.
    »Oder
er hat es an einer entlegenen Stelle weggeworfen«, wandte Franca ein.
    »Oder
das.«
    »Fakt
ist, dass der Täter die nackte Kinderleiche in einen Plastiksack gesteckt hat«,
nahm Olsen seinen Faden wieder auf, »und sie einige Tage in der Höhle liegen
ließ. Dass er zurückgekehrt ist und den Sack mit dem Kind in die Nette geworfen
hat, gibt uns weiteren Aufschluss über sein Handeln.« Olsen strich sich mit
Zeigefinger und Daumen über das Kinn. »Die meisten Täter kümmern sich nach der
Tötung nicht um ihr Opfer. Sie lassen es einfach zurück und denken nur noch an
Flucht. Dieser Täter jedoch hat die Leiche vorerst am Tatort, also in der
Höhle, belassen, wo sie ein paar Tage unentdeckt gelegen haben muss. Danach ist
er zurückgekehrt und hat den Sack samt Inhalt in die Nette geworfen. Man fragt
sich, warum er dieses Risiko eingegangen ist, denn jemand hätte ihn ja
beobachten können.« Olsen schaute auffordernd in die Runde.
    »Vielleicht
war es ihm wichtig, dass das Kind nicht dort bleiben sollte, wo er es getötet
hatte«, sagte Hinterhuber.
    »Das
war auch mein Gedanke. Es könnte sein, dass ihm diese Höhle etwas bedeutet.
Vielleicht hat er dort schon einmal ein Verbrechen begangen. Vielleicht sogar
das an der kleinen Lara Weisglas, wie Frau Mazzari vermutet.« Olsen nickte in
Francas Richtung. »Hierbei stellt sich natürlich die Frage: Warum hat er das
Mädchen leben lassen und den Jungen nicht? Dafür kann es mehrere Gründe geben:
Er könnte das Mädchen als weniger intelligent eingeschätzt haben, auch weil es
jünger war als Timo, das heißt, die Gefahr, dass sie in der Lage ist, ihren
Peiniger genau zu beschreiben, hat er als gering erachtet. Es wurde erwähnt,
dass sich der Junge weniger defensiv verhalten haben könnte als das Mädchen.
Vielleicht hat er dem Täter ins Gesicht

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