Vulkanpark
passé. Und in die Zukunft kann keiner schauen.
Nicht einmal du.«
»Hm.
Das wäre zu schön.« Sie drehte sich zu ihm um, begann nun ihrerseits, ihre Fingerspitzen
auf seiner Haut wandern zu lassen.
»Bitte
erzähl mir noch ein bisschen«, bettelte sie. »Oder zeig mir deine Kinderbilder.
Ich könnte mir vorstellen, dass du ein hübscher Junge warst.«
Er
grinste. »In meinen Revoluzzerjahren hatte ich so lange Haare.« Er zeigte auf
seine Ellenbogen. »Ich hab sie mir wieder abschneiden lassen, nachdem ich
mehrfach als Mädchen angesprochen wurde.«
»Wo
bist du denn aufgewachsen?«
»Nicht
weit von hier. In Lahnstein.«
»Du
hast mir noch nie etwas von deiner Familie erzählt. Wo deine Eltern leben. Hast
du Geschwister?«
Er
verdrehte die Augen. »Jetzt kann ich verstehen, wie du mit deinen Verbrechern
umgehst. Du bist wie einer dieser schrecklichen Terrier. Wenn sie sich einmal
festgebissen haben, lassen sie so schnell nicht los.« Er stieß einen
theatralischen Seufzer aus.
»Bitte.
Es würde mir wirklich viel bedeuten.«
»Also
gut: Meine Eltern leben beide nicht mehr. Meine Mutter hat sich umgebracht, als
ich 13 war. Sie war eine stille Frau, die es nicht fertig brachte, sich gegen
meinen Vater durchzusetzen. Irgendwann konnte sie das Leben mit ihm nicht mehr
ertragen. Während er uralt werden durfte. Aber am Ende ging’s ihm ziemlich
dreckig. Ich könnte nicht behaupten, dass mir das sonderlich leidtut.« Seine
Gesichtszüge verhärteten sich. »Ich will nicht mehr darüber sprechen. Bitte
versteh das doch.«
»Weil
es so weh tut?«, fragte sie leise.
Er gab
keine Antwort.
»Manchmal
hilft es, von dem zu erzählen, wovor man am meisten Angst hat.«
Er
lachte leise. »Ich habe keine Angst. Wovor sollte ich Angst haben?« Er lag auf
dem Rücken und starrte an die Decke. »Ich bin froh, dass ich diese ganze
Scheiße hinter mir hab. Dass mein Leben halbwegs geordnet ist. Ich hab
eigentlich nie zu jemandem richtig Vertrauen fassen können.« Abrupt drehte er
sich zu ihr um und nahm sie in den Arm. »Deshalb bin ich so froh, dass ich dich
getroffen habe«, flüsterte er ihr ins Ohr.
43
Der Massengentest war im
Eilverfahren beantragt und sofort bewilligt worden. Rund 3000 Männer in der
Region Koblenz wurden angeschrieben. Seitdem arbeiteten die Labors auf
Hochtouren. Dennoch ging alles nur schleppend voran. Bisher war noch nicht mal
die Hälfte der Männer zum vereinbarten Termin erschienen. Diejenigen, die
kamen, beteuerten, dass sie gern helfen wollten, obwohl viele zugaben, dass sie
zunächst ziemlich erschrocken über die Aufforderung waren, eine Speichelprobe
abzugeben. Die verbliebene Hälfte wurde ein zweites Mal aufgefordert mit der
dringlichen Bitte, teilzunehmen, damit der Täter bald dingfest gemacht werden
konnte. Und dann gab es noch diejenigen, die sich weigerten und die man deshalb
besonders im Auge behielt.
Zwei
Wochen später klingelte das Telefon in Francas Büro. Clarissa, die gerade vor
dem Schreibtisch stand, hob ab. »Frankenstein«, sagte sie leise in Francas
Richtung. Diese spritzte von ihrem Stuhl auf und riss der Jungkommissarin den
Hörer aus der Hand.
»Ich
hab ein Ergebnis«, teilte er ihr knapp mit.
So sehr
hatte sie sich dies herbeigewünscht! Jeden Tag hatte sie auf seinen Anruf
gewartet. Und jetzt war es tatsächlich eingetreten. Ihr Herz raste. Ihr Puls
stieg. So schnell sie konnte, rannte sie ins K7, Clarissa hinterher. Außer Atem
kamen sie beide im Labor an. Frankenstein saß an seinem Computer. Auf dem
Bildschirm war ein Diagramm aus blauen und roten Hügeln und Spitzen zu
erkennen, ein DNA-Muster.
»Das
ist Speichelprobe Nr. 1678«, erläuterte er und klickte mit der Maus. »Und das
ist das DNA-Profil vom Tatort.«
Franca
und Clarissa standen hinter ihm und beobachteten gebannt sein Tun. Er klickte ein
paar Mal mit der Maus und zog das eine Profil über das andere. Beide Muster
waren deckungsgleich. »Trefferquote eins zu einer Milliarde«, sagte er und
strahlte die beiden Frauen an. »Wir haben ihn! Die Probe ist zweimal
aufgearbeitet worden, um ganz sicher zu gehen. Es besteht kein Zweifel.«
Franca
spürte unendliche Erleichterung. Die wochenlange verbissene Arbeit, die
Rückschläge, die lähmende Aussichtslosigkeit, alles hatte mit einem Mal ein
Ende. Es gab einen Namen für das schlimme Verbrechen. Das Phantom hatte ein
Gesicht bekommen. All die Überstunden hatten sich gelohnt.
»Und
wer ist es?«
»Das
ist einer von denen, die ihre
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