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Vulkans Hammer

Vulkans Hammer

Titel: Vulkans Hammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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widerstrebend vom Tisch auf und ging zur Treppe. Es war ein weiter Weg die Treppe hinauf und durch den Gang zu dem Flügel, in dem sie ihr Zimmer hatte. Dort angelangt, mußte sie noch eine Weile kramen, bis sie das Buch aus seinem Versteck geholt hatte. Das Buch, ein uralter Literaturklassiker mit dem Titel Lolita, stand seit Jahren auf den Verbotslisten. Für jeden, in dessen Besitz es entdeckt wurde, gab es eine hohe Geldstrafe – und für eine Lehrerin möglicherweise sogar Gefängnis. Die meisten Lehrer jedoch lasen solche anregenden Bücher und tauschten sie untereinander aus, und bis jetzt war noch nie jemand erwischt worden.
    Verstimmt, weil sie das Buch nicht hatte beenden können, legte Mrs. Parker es in ein Exemplar von Die Welt von heute und verließ damit das Zimmer. Draußen auf dem Gang war niemand zu sehen, also ging sie auf die Treppe zu.
    Als sie hinunterstieg, erinnerte sie sich, daß sie noch etwas erledigen mußte, und zwar vor morgen früh; die Unterkunft der kleinen Fields war noch nicht ausgeräumt, wie es von der Schulordnung verlangt wurde. In ein, zwei Tagen würde ein neuer Schüler eintreffen und das Zimmer beziehen; es war von eminenter Bedeutung, daß ein Verantwortlicher jeden Zentimeter des Raumes absuchte, um sich zu vergewissern, daß keine subversiven oder illegalen Gegenstände des FieldsMädchens zurückblieben, die das neue Kind verseuchen konnten. In Anbetracht des Hintergrundes der Fields war diese Regel besonders wichtig. Als sie die Treppe verließ und durch den Flur eilte, spürte sie, wie ihr Herz einige Schläge aussetzte. Sie konnte Ärger bekommen, wenn sie in solchen Dingen vergeßlich war ... sie würden vielleicht glauben, daß sie das neue Kind verseuchen wollte.
    Die Tür zu Marion Fields Zimmer war verschlossen. Wie konnte das sein? fragte sich Mrs. Parker. Den Kindern war der Besitz von Schlüsseln nicht erlaubt; sie konnten nirgendwo Türen abschließen. Jemand vom Personal mußte es getan haben. Sie selbst besaß natürlich einen Schlüssel, hatte aber noch keine Zeit gefunden, hierherzukommen, seit Generaldirektor Dill das Mädchen in seine Obhut übernommen hatte.
    Als sie in ihrer Tasche nach dem Hauptschlüssel kramte, hörte sie hinter der Tür ein Geräusch. Jemand befand sich im Zimmer.
    »Wer ist da?« fragte sie erschrocken. Wenn sich ein Unbefugter im Zimmer aufhielt, geriet sie in Schwierigkeiten; sie war für diese Schlafräume verantwortlich. Sie atmete tief ein, brachte den Schlüssel heraus und schob ihn ins Schloß. Vielleicht ist es jemand von Eintracht, der mich überprüft, dachte sie. Nachsieht, was ich der Fields zu besitzen erlaubt habe. Die Tür ging auf, und sie schaltete das Licht ein.
    Zunächst sah sie niemanden. Das Bett, die Vorhänge, der kleine Schreibtisch in der Ecke ... die Kommode!
    Auf der Kommode hockte etwas. Etwas, das schimmerte, glänzendes Metall, das schimmerte und klickte, als es sich ihr zuwandte. Sie blickte in zwei gläserne Maschinenlinsen, etwas mit einem röhrenartigen Körper von der Größe einer Stablampe schoß empor und zischte auf sie zu.
    Sie hob die Arme. Stopp, sagte sie zu sich. Sie hörte ihre Stimme nicht; alles, was sie hörte, war das pfeifende Geräusch, eine ohrenbetäubende Lärmexplosion, die zu einem Kreischen wurde. Stopp! wollte sie schreien, aber ihre Stimme versagte. Es kam ihr vor, als schwebe sie empor, als sei sie gewichtslos geworden und triebe dahin. Der Raum entglitt in Dunkelheit. Er fiel hinter ihr zurück, weiter und immer weiter. Keine Bewegung, kein Laut ... nur ein einzelner Lichtfunke, der flackerte, zögerte und dann verlosch.
    Ach du liebe Güte, dachte sie. Ich werde Ärger bekommen. Selbst ihre Gedanken schienen davonzutreiben – sie konnte sie nicht aufrecht erhalten. Ich habe etwas falsch gemacht. Das wird mich meinen Job kosten.
    Sie trieb weiter und weiter.

    Kapitel Sechs

    Das Summen des Bett-Videophons neben ihm weckte Jason Dill aus tiefem Schlaf. Er streckte reflexartig die Hand aus und schaltete es auf Empfang und bemerkte dabei, daß der Anruf über die Privatleitung kam. Was ist es diesmal, fragte er sich und war sich eines hämmernden Kopfschmerzes bewußt, gegen den er in den Stunden des Schlafs gekämpft hatte. Es war spät, wurde ihm klar, vier Uhr dreißig mindestens.
    Auf dem Bildschirm erschien ein unbekanntes Gesicht. Er sah kurz ein Identifikationssymbol. Der Klinikflügel.
    »Generaldirektor Dill«, murmelte er. »Was wollen Sie? Erkundigen Sie sich

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