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Vyleta, Dan

Vyleta, Dan

Titel: Vyleta, Dan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pavel und Ich
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Junge rührte drei Stück Zucker hinein und bat den Kellner um
noch zwei. Er schien zu schmollen und war nicht zum Reden aufgelegt.
    »Wo bist
du gestern hingegangen?«, fragte sie ihn. »Pavel sagte, du seist weggelaufen.«
    »Er hätte
nicht heulen sollen«, antwortete er.
    »Wer?
Pavel?«
    »Er hat geheult. Wie ein Mädchen.«
Er sah sie düster an. »An der Schulter des Colonels.«
    »Ich verstehe.«
    »Mögen Sie ihn?«
    »Wen?«
    »Den Colonel.«
    Sie
zögerte. »Er wohnt bei mir«, erklärte sie ihm. »Manchmal.«
    »Ja«, sagte er. »Ich hasse ihn
auch.« Schweigend tranken sie ihren Kakao.
    »Wo ist
Pavel?«, fragte Anders, als er seinen ausgetrunken hatte. Er fuhr mit den
Fingern über den Boden der Tasse und leckte sich die Schokolade von den
schmutzigen Fingerspitzen. Sie bestellte ihm noch einen Kakao und zündete sich
eine Zigarette an.
    »Er sucht nach Belle.«
    »Belle? Das war Boyds Hure,
richtig?«
    »Du solltest nicht so reden.«
    »Wer sagt das?«
    Sie
studierte seine Züge: diese unverschämten Augen, das über seiner Oberlippe
verschmierte Blut, das zusammengequetschte kleine Gesicht mit den schiefen
Zähnen. Er hatte das Kinn leicht angehoben, als rechnete er damit, dass sie ihn
ohrfeigte. Sie fragte sich, wie es Pavel hatte gelingen können, sich mit ihm
anzufreunden, und warum er das gewollt hatte.
    »Du
brauchst einen neuen Mantel. Ich habe noch einen im Schrank, den kann ich für
dich kürzer machen.«
    Er
schüttelte den Kopf. »Geht nicht.« Es war schwer zu sagen, ob Angst in seinen
Augen lag. »Ich mag Ihren Colonel nicht.«
    »Der Colonel ist mittlerweile
weg.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Ich weiß
es eben. Er hat mir gesagt, er hat eine Mittagsverabredung. Wenn du willst,
gehe ich erst hinauf und sehe nach, bevor du hereinkommst, versichere mich,
dass er nicht da ist.«
    »Versprochen?«
    »Ja.«
    Sie
streckte die Hand aus, die noch in einem Handschuh steckte, und fragte sich, ob
er sie ergreifen würde. Er roch daran wie ein Hund, dem man einen zweifelhaften
Knochen vorgeworfen hatte, und erst als er ihre Hand ergriff, wurde ihr
bewusst, wie klein seine doch war. Sie drückte sie sanft, und er ließ sich auf
die Straße hinausführen.
    Draußen
blieb Anders stehen und sah zu, wie die Polizei den Platz vor dem Bahnhof
räumte. Ein paar Lastwagen kamen heran, und auf ihnen war noch mehr Polizei,
mit Schlagstöcken.
    »Was ist
da los?«
    »Da ist
ein Flüchtlingszug angekommen«, erklärte sie ihm, »aus dem Osten, und viele der
Flüchtlinge sind erfroren.«
    »Verstehe«,
sagte er, als ginge ihn das nichts an. Er kehrte der Szene den Rücken zu und
lief los. Gott, dachte
sie, was für Ungeheuer ziehen wir da nur
heran. Und dann, als sie fast beim Haus waren, schaffte er es,
dass sie sich für ihren Gedanken schämte.
    »Versprechen
Sie mir«, sagte er, »dass Sie sich nicht in ihn verlieben.«
    »Mich in
ihn verlieben? In den Colonel?«
    »Nein. In
Pavel. Versprechen Sie mir, dass Sie sich nicht in Pavel verlieben.«
    Sie brach
in Lachen aus und steckte den Schlüssel in die Haustür.
     
    Liebe. Kein Wunder, dass sie in
Lachen ausbrach. Die Wahrheit ist allerdings, dass ich tatsächlich nicht weiß,
was sie zu diesem Zeitpunkt über Pavel dachte. Ich habe sie später danach
gefragt, aber später gilt natürlich nicht, nicht, wenn es um derartige Dinge
geht, um einen Eindruck, ein Gefühl, Empfindungen, die kommen und gehen. Sie
blieb jedenfalls dabei, dass er ihr nichts bedeutete. Ich erinnerte sie daran,
dass sie ihm unaufgefordert geholfen hatte, dass sie zu ihm gekommen war, die
Tür hinter sich geschlossen und ihm geholfen hatte, den Zwerg zu entkleiden.
    »Ja«, gab
sie zu. »Das habe ich.«
    »Ohne dass
Pavel Ihnen etwas bedeutete?«
    Sie zuckte
mit den Schultern. »Er war mitleiderregend, wissen Sie. Und er war ...
ehrlich.«
    »War Ihnen
Ehrlichkeit denn so wichtig?«
    »Nein«,
antwortete sie. »Das nicht. Damals hielt ich Ehrlichkeit für eine Art
Krankheit.«
    Sie
lächelte humorlos und überprüfte ihr Make-up in ihrem Taschenspiegel.
    »Hören Sie
mit der Fragerei auf«, sagte sie. »Das führt zu nichts, das sind alles nur
Worte.«
    Ich wusste
nicht, was ich darauf erwidern sollte, und gab nach. Bis dahin war mir noch nie
der Gedanke gekommen, dass es mit Worten Probleme geben konnte.
     
    Such Belle. Pavel
wusste, wo er am besten anfing. Er steckte alle Päckchen Zigaretten ein, die er
noch besaß, dazu das Kriegsfoto von Boyd und sich, auf dem sie beide auf

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