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Vyleta, Dan

Vyleta, Dan

Titel: Vyleta, Dan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pavel und Ich
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auf jeden Fall einmal
die Hände und legte sie links und rechts neben den Spiegel. So standen sie
wortlos etwa fünfzehn Minuten, bis sie schwere Schritte vor der Wohnung hörten
und Klopfen an der Tür.
    »Gehen
wir«, sagte der Polizist auf Russisch und winkte mit der Waffe.
    Draußen
auf dem Flur warteten zwei Soldaten mit Maschinenpistolen auf sie. Sie hatten
sich nicht die Mühe gemacht, Polizeiuniformen anzuziehen, und zogen wütend an
ihren Zigaretten. Der Rauch drang ihnen aus den Nasenlöchern. Eine Etage höher
stand die alte Frau mit einem bitteren Grinsen auf dem runzligen Gesicht.
    »Jetzt ihr
ihn haben«, sagte sie in ihrem brüchigen Russisch. »Ich sage, er nichts Gutes
machen.«
    Die
Soldaten nickten ihr dankend zu und brachten Pavel hinunter zu einem wartenden
Wagen. Sie schubsten ihn auf die Hinterbank, hängten ihm einen russischen
Mantel über die Schultern und drängten sich links und rechts neben ihn. Ihre
Pistolenläufe gruben sich schmerzhaft in Pavels Nieren. Der Fahrer ließ den
Motor an, und sie fuhren die Straße hinunter, bogen dann nach Osten Richtung
Sektorengrenze.
    »Wenn er
Schwierigkeiten macht«, wies der Fahrer die beiden anderen an, »schlagt ihm ein
wenig den Schädel ein.«
    Der Mann
neben Pavel nickte und schob sich grimmig einen Schlagring über die
Handschuhfaust.
     
    Sonja saß auf ihrem Klavierhocker.
Saß reglos genug da, um den Geruch ihres eigenen, ungewaschenen Körpers
wahrzunehmen und den Affen auf seinem Hochsitz zu hören, wie er sich das Fell
zauste. Sie spielte nicht. Sie hatte es versucht, Haydn und dann auch Bach,
aber ihre Gedanken waren anderswo. Die Worte des Colonels klangen ihr noch im
Ohr: Vielleicht wäre es eine gute Idee, wenn
du die Nacht mit ihm verbringen würdest. Glaubst du, dass du das einrichten
könntest? Natürlich.
    Sie saß
schon lange dort, auf ihrem Hocker vor dem Flügel, und fragte sich, wie es sein
würde, Pavel zu küssen. Schön würde es wohl nicht sein. Womöglich war sein Atem
sauer, die Zunge ungeschickt. Sie stellte sich ihr Küssen vor: Wie sie steif
voreinander standen und er sich ungelenk zu ihr vorbeugte, die Hüften in
einem komischen Winkel, damit er sie ja nicht berührte. Sie wollte es hinter
sich bringen, aber auch, dass es nie dazu kam.
    »Was
willst du jetzt tun?«, würde er sie mit diesem verwirrten, ehrlichen Ausdruck
auf dem Gesicht fragen, als kenne er gar keine Lügen.
    »Einen
Cognac trinken«, würde sie antworten, »ich brauche jetzt erst einmal ein Glas
Cognac.«
    Und dann
würden sie trinken, das eine würde zum anderen führen, und am Ende bekäme der
Colonel seine Antworten.
    »Die Sache
ist die«, flüsterte sie zu dem Affen hinauf, »ich muss jetzt erst mal etwas Eis
schmelzen und mir die Möse waschen.«
    Der Affe
antwortete ihr nicht, und sie blieb dort unten sitzen, vor dem Flügel, ohne zu
spielen, während der Mittag zum Abend wurde und schließlich die Sonne begrub.
     
    Pavel machte bei der Überquerung
der Grenze keinerlei Schwierigkeiten. Ein amerikanischer Wachmann prüfte ihre
Papiere und ließ kurz den Blick über die Gesichter im Wagen gleiten. Die Russen
hatten für Pavel den Pass von jemand anderem dabei. Das Foto passte nicht zu
seinem Gesicht, aber der Wachmann winkte sie dennoch durch. Ein paar Blicke aus
dem Augenwinkel auf die Männer rechts und links von sich machten Pavel klar,
wie sehr er ihnen glich. Sie hatten die gleichen slawischen Wangenknochen, die
gleiche breite, hohe Stirn. Es ist fast so, dachte er, als käme ich nach Hause. Die
Mündungen der Waffen drückten ihm auch weiter unangenehm in die Seiten.
    Kaum dass
sie eine Straße weiter waren, zog einer der Männer Pavel die Mütze über die
Augen. Ohne Sicht zählte Pavel die Minuten, bis er hörte, wie der Motor
ausgestellt wurde, zählte sie langsam nach dem Maß seines Atems. Soweit er es
ermessen konnte, waren sie etwa eine Viertelstunde gefahren. Damit konnten sie
praktisch überall im östlichen Teil der Stadt sein. Wobei es ebenso gut möglich
war, dass sie mehrmals um denselben Block mit ihm gefahren waren, nur um ihn zu
verwirren.
    Die
Soldaten zogen ihn aus dem Wagen, schoben ihn durch eine Tür in ein Gebäude und
gingen einen langen Korridor mit ihm hinunter. Pavel leistete keinen Widerstand
und konzentrierte sich auf seine Schritte. Er wollte nicht fallen. Hacken
schlugen zusammen, zu seiner Linken salutierten zwei Männer. Eine Tür öffnete
sich, dann noch eine, und er wurde grob auf einen hölzernen Stuhl

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