Vyleta, Dan
in
der Verfassung, mit ihr zu reden, in diesem fremden Schlafanzug, den Duft
ihres Haars schwer auf der Zunge. So saß er da, die Arme fest um den Leib
geschlungen, und wartete auf die ersten Lichtstrahlen des Tages.
Wartend
zwang er sich, über diese Frau nachzudenken, deren Bett er geteilt hatte, und
über die Fragen, die er ihr stellen musste. Er dachte daran, wie sie ihn
eingeladen hatte, die Nacht mit ihr zu verbringen. Ruhig hatte sie es getan,
und das Blut war ihm ins Gesicht geströmt. Dann das Ritual des sich fürs Bett
Fertigmachens, immer war er sich ihrer Bewegungen um ihn herum bewusst
gewesen. Im Bad hatte Pavel Foskos Sachen auf einem Porzellanbord aufgereiht
gesehen: Nagelschere, Rasierer, ein parfümiertes Stück Seife. Ihre Unterwäsche
hing halb gefroren von einer Leine über der Wanne. Aufrecht hatte sie vor ihm
gestanden und ihm den Schlafanzug gereicht, den er tragen sollte. Sonjas
Nachthemd hatte ihr bis halb über die Schenkel gereicht. Die Beine darunter
weiß, gerundete Waden. Ihre Zehennägel waren in einem dunklen Roseton lackiert,
die Farbe ein wenig abgeblättert. Auf dem Nachttisch eine Pinzette zum
Augenbrauenzupfen und eine vergessene Tasse Wasser. Staub auf der Untertasse.
Ein abgegessener Apfel. Ein kleines Fläschchen Kölnisch Wasser.
Pavel
hatte das alles mit einer merkwürdigen kindlichen Intensität wahrgenommen.
Tatsächlich hatte er sich in die Zeit seines sexuellen Erwachens zurückversetzt
gefühlt, viele Jahre war das her, als ihn eine junge Tante, eine Witwe, gebeten
hatte, sich über das Wochenende um sie zu kümmern, weil sie an einer Migräne
litt. Damals hatte er unter dem gleichen Gefühl verbotenen Verlangens gelitten
und mit der gleichen Intensität die zahllosen Utensilien des Erwachsenenlebens
studiert, die ihre Gemächer füllten. Was hier heute fehlte, war jedoch das merkwürdige
Gefühl, von den Augen der Verführerin beobachtet zu werden. Sonja schien ihn
kaum zu beachten, während sie ihm ihr Bett anbot. Als es schließlich zu dämmern
begann, dachte Pavel, dass sie ihn verachten müsse, und einen Moment lang
wünschte er, er wäre tatsächlich in der letzten Nacht in ihre Wohnung gestürmt
gekommen und hätte seine Wut über Boyds Tod an ihr ausgelassen.
Steif
stand er auf und sammelte seine Sachen zusammen, zog sich Hose, Pullover und
Jacke an, ohne sich die Mühe zu machen, vorher den Schlafanzug auszuziehen.
Plötzlich hatte er es äußerst eilig. Er wollte verschwunden sein, bevor sie
aufstand. Er konnte später noch mit ihr sprechen. Seine steif gefrorenen Finger
hatten Schwierigkeiten, die Strümpfe über seine Füße zu ziehen, und so nahm er,
um weitere Verzögerungen zu vermeiden, die Stiefel in die Hand. Der Affe
spielte, wie er sah, mit dem Grammofon und stach sich mit der Nadel in die
ledrige Pfote. Als sie endlich zu bluten begann, ließ er erneut einen Schrei hören
und fing an, am Plattenteller und den Knöpfen zu reißen. Vom Lärm
aufgeschreckt, lief Pavel zur Tür und eilte hinaus. Als er die Treppenstufen zu
seiner Wohnung hinunterging, glaubte er einen Moment lang, jemanden unter sich
im Schatten des Treppenhauses herumschleichen zu sehen.
»Anders?«,
rief er, bekam jedoch keine Antwort. Pavel stand eine Zeit lang auf dem
Treppenabsatz, das Geländer in der einen, die Stiefel in der anderen Hand, und
vermochte nicht zu sagen, ob sein Eindruck ihn nicht getäuscht hatte. Am Ende
gab er auf, wandte sich seiner Tür zu und schloss auf. Er hatte gehofft, der
Junge wäre da und würde ihn begrüßen, wurde aber enttäuscht. Der Kohleofen war
eiskalt, und auf dem Waschbecken entdeckte er ein paar eingetrocknete
Blutstropfen, die ihm am Abend entgangen sein mussten.
Bewegungslos
stand er da, fuhr mit der Fingerspitze über das Blut und fragte sich, wer da
wohl vor seinem Spiegel verletzt worden war.
Da haben wir ihn: Pavel am »Morgen
danach«. Mit kalten Füßen und pubertären Träumereien, der passenden Ernte einer
Nacht, in der nichts vorgefallen war. Der Gedanke, dass er die Nacht neben
einer schönen Frau verbracht hatte (denn auf ihre Weise war Sonja wirklich
schön), einer in Herzensangelegenheiten nicht unbeschlagenen Frau, kurz, einer
Hure, und es dennoch geschafft hatte, unbefriedigt geblieben zu sein: man will
es kaum glauben.
Wenn Sie
mich fragen, lag der Fehler allein bei ihm. Sie musste willig genug gewesen
sein, wenn auch nur, um alle Zweifel auszuräumen, dass dieser Mann, Pavel,
anders war als das gute Dutzend
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