Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vyleta, Dan

Vyleta, Dan

Titel: Vyleta, Dan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pavel und Ich
Vom Netzwerk:
und sich Übelkeit in ihrer Kehle breitgemacht hatte. Vor ihr
ein Berg Zigarettenkippen und immer noch kein Klopfen. Sie spülte sich den Mund
mit Cognac aus, schluckte ein Aspirin und feilte sich die Nägel.
    Es war
bereits später Nachmittag, als Pavel kam. Auf die Freude, die in ihr aufwallte,
war sie nicht vorbereitet: Sie wollte sich gleich dafür rächen. Es begann in
ihrem Magen, dem Sitz all ihrer Gefühle. Das muss so
sein, sagte sie sich voller Boshaftigkeit, dein Herz ist ein viel zu schwächliches Organ. Sie
stellte es sich vor, wie es schlug, leer und runzlig wie der Hodensack eines
Kindes, und das Blut, das es durch den Körper pumpte, war so verdünnt, dass es
durchsichtig durch seine Kammern und Arterien floss. All das durchfuhr sie in
dem kurzen Moment, den er brauchte, um in die Mitte des Zimmers zu treten und
dort mit dem steifen Gleichmut eines Kammerdieners stehen zu bleiben. In der
Hand hielt er ein Paar zusammengerollter Socken.
    »Kommst du
mit Geschenken?«, fragte sie.
    »Nach der
ersten gemeinsamen Nacht«, sagte sie, »wären Blumen klassischer. Oder
Champagner, wenn man zum Schlawiner neigt.«
    Sie
kratzte sich an der linken Brust, als wollte sie auf ihrer Bluse einen Fleck
entfernen. Sofort wurde er rot. Er senkte den Blick, trat mit dem immer noch
gleichen feierlichen Bestreben weiter vor und reichte ihr die Socken.
    »Der
Colonel sucht danach. Deshalb ist Boyd gestorben.«
    Sie zog
eine Braue hoch.
    »Nicht
wegen der Socken, Sonja. Wegen dem, was in ihnen steckt. Dahinter war er die
ganze Zeit her. Fosko.«
    »Dann bist
du ein Dummkopf, es mir zu geben.«
    Er zuckte
mit den Schultern, und sie nahm die Socken. Sie waren aus dicker Wolle,
abgetragen und schmutzig. Sie konnte kein zusätzliches Gewicht bemerken. Nach
kurzem Zögern trug sie das Knäuel hinüber zu einem Glasschrank, nahm eine
schöne Kaffeekanne, die sie nicht mehr benutzte, weil Fosko ihr eine teurere
gekauft hatte, ließ die Socken hineinfallen, stellte die Kanne zurück auf das
untere Brett und schloss den Schrank ab. Pavel stand reglos dabei. Sie wünschte
sich, dass er etwas Natürliches täte. Sich zum Beispiel die Nase putzen oder
sie in den Arm nehmen. Seine Hände lagen auf den Hosennähten, die Handflächen
nach innen gekehrt.
    »Magst du
einen Kaffee?«, fragte sie.
    Er schüttelte
den Kopf. »Sonja, was ich dir letzte Nacht sagen wollte. Ich habe nachgedacht
...«
    »Ich habe
dich geküsst, weißt du?«
    Das
erschreckte ihn und vertrieb den Kammerdiener in ihm. Verwirrt sah er sie an,
die Brauen zusammengezogen. »Das hast du?«
    »Mitten in
der Nacht. Aber vielleicht habe ich es auch nur geträumt.« Sie umkreiste ihn,
bewegte sich absichtlich wie ein Flittchen und kam ihm so nahe, dass ihre
Brüste über seinen Rücken rieben. »Du hast etwas an dir«, flüsterte sie ihm
ins Ohr, »das einen danach sehnen lässt, Geständnisse abzulegen.«
    Jetzt
versuchte er sie zu küssen, drehte den Kopf zu ihr hin und zog den Körper nach,
verfehlte sie in seiner Eile aber und prallte von ihrer Nase und Wange ab.
Seine Lippen, bemerkte sie, waren dünn und rosa wie die eines Mädchens.
    »Himmel,
du bist ja noch ungeschickter, als ich dachte.«
    »Ich
wünschte«, sagte er und machte sich aus ihrer Umarmung los. »Ich wünschte, wir
könnten aufrichtig miteinander sprechen.«
    Sonja
lachte und lief in die Küche, um nun doch einen Kaffee zu kochen. In ihren
Augen standen Tränen. Sie rieb sich mit den Knöcheln darüber und zermahlte die
Kaffeebohnen in tausend Stücke. Duft stieg von ihnen auf.
    Pavel
folgte ihr nicht. Er stand ausdruckslos da und hob die Finger an die Lippen. Sie
sah durch die Küchentür zu ihm hinüber, verschlagen, verstohlen, während sie
Zucker, Tassen und Silberlöffel hervorholte. Widerstrebend gestand sie sich
ein, dass sie ihn erneut berühren wollte.
    Sie
setzten sich. Er rückte ihr den Stuhl zurecht, bevor er sich selbst setzte.
Sonja sah es fast vor sich, wie seine Hauslehrerin ihm das beigebracht hatte,
vielleicht war es auch seine russische Mutter gewesen, die ihm mit ihren
gepflegten Fingern durch die Haare gefahren war, wenn er alles richtig machte.
Der Kaffee war viel zu stark. Beide gaben reichlich Zucker in die Tassen, ohne
ein Wort darüber zu verlieren. Als Sonja ihre Tasse halb leer getrunken hatte,
stand sie plötzlich auf und zog ihn am Ellbogen. Er stand ebenfalls auf,
unsicher, einen Fuß zwischen den Stuhlbeinen verklemmt.
    »Versuchen
wir es noch einmal«, sagte sie und

Weitere Kostenlose Bücher