Vyleta, Dan
hinunter und verbrannte sich
dabei offenbar die Zunge, schenkte sich das Glas aber gleich wieder voll. Pavel
reichte ihm den Zucker und sah zu, wie Schlo' ein Stück zwischen die Zähne
nahm.
Ungeduldig wartete er darauf, dass
der Junge erklärte, warum er gekommen war, aber er schien damit zufrieden,
seinen Tee zu trinken, den Zucker zu kauen und sich nach jedem Schluck die
Lippen zu lecken. Nach dem vierten Glas räumte Pavel den Samowar weg.
»Nun
erzähl schon«, sagte er. »Warum bist du hier?«
Der Junge
griff ein letztes Mal in die Zuckerdose, leckte sich die Lippen und fing
endlich ohne weitere Umstände an zu reden, wobei er seine Sprechwerkzeuge in
einen wahren Rausch versetzte und die Worte in einen einzigen atemlosen Satz
presste.
»Es geht
um den Mantel, verstehen Sie, der Colonel dachte, er hätte eine Geheimtasche,
und die gab es auch, aber Anders sagt, sie war schon leer, was bedeutet, dass
Boyd es als Erster gefunden und irgendwo versteckt hat, weil wenn er's nicht
getan hätte, würde der Colonel nach nichts suchen, wo er's doch schon hätte,
verstehen Sie, und wenn er, ich meine Boyd, es versteckt hat, muss er es bei
Ihnen getan haben, nur hat der Colonel die Wohnung hier auch schon durchsucht
und nichts gefunden, was heißt, dass es in dem anderen Mantel sein muss, in
Boyds, das heißt in Ihrem, worauf der Colonel, der ein Pe-di-rast ist, bald schon kommen wird, und das ist es, was
ich Ihnen sagen soll.«
Der Junge
war selbst ein bisschen verwirrt von diesem Ausbruch an Worten.
»Verstehen
Sie?«, fragte er. »Weil es das ist, was ich Ihnen sagen soll, von Anders, und
der einzige Grund, warum ich mich verspätet habe, ist, dass er die Pistole
geklaut hat und mich Paulchen deswegen nicht gehen lassen wollte, bis ich ihm
erzählt habe, was ist, und jetzt will er Sie treffen und die Sache in Ordnung
bringen, ob Sie nun einen amerikanischen Pass haben oder nicht, und Sie bringen
ihm besser eine neue mit, geladen, oder ... und er hat eine Beule am Kopf, die
ist groß wie ein Ei, nur dass sie blau ist.«
Der Junge
sah ihn an. »Verstehen Sie, ich kriege Schwierigkeiten, wenn ich nicht mit
einer Nachricht zurückkomme, und ich muss unbedingt mal pinkeln.«
Pavel
zeigte auf den Nachttopf und tastete sich durch den Irrgarten von Schlos
Worten. Aus der Ecke hörte er es plätschern.
»Anders
hat die Pistole gestohlen?«, fragte er, als der Junge die letzten paar Tropfen
abschüttelte. Schlo' sah sich zu Pavel um, als wäre der ein Idiot.
»Ja«,
nickte er. »Das habe ich doch gesagt, oder etwa nicht?«
»Ich werde
mich mit deinem Paulchen treffen. Sag mir, wann und wo.«
Der Junge
nannte ihm den Ort und wandte sich zum Gehen. Er schien es plötzlich eilig zu
haben.
»Niemand
nennt mich Salomon«, sagte er noch. »Das klingt jüdisch, wissen Sie.«
»Okay«,
sagte Pavel. »Ich will versuchen, daran zu denken.«
Nachdem
der Junge gegangen war, schlüpfte Pavel aus dem Mantel, den Boyd ihm in der
Nacht gegeben hatte, als der Zwerg gestorben war, breitete ihn auf dem
Küchentisch aus und suchte das Futter sorgfältig nach Geheimnissen ab. Ein
wenig später kramte er nach seiner Kamera, nach der Taschenlampe und einer
Schere. Es wurde ein geschäftiger Nachmittag voller Entdeckungen.
Den ganzen Tag über saß sie da und
wartete, dass es an der Tür klopfte. Schon der Gedanke daran schreckte sie,
ganz gleich, wen es ankündigen würde: Fosko, der sie über seine fetten Backen
hinweg mustern würde, während er dem Affen mit seiner pummeligen Hand das
Fell kraulte, oder Pavel, ihr unbeholfener Verehrer, der sie um eine Wahrheit
bat, die er nicht hören wollte, und sie mit der Möglichkeit der Liebe
verspottete. Eine Weile setzte sich Sonja zurück an den Flügel und versuchte,
seinen hölzernen Eingeweiden Trost zu entlocken, hörte Töne zwischen den
Tönen, ein dunkles Kratzen im Unterbau, das dort nicht hingehörte, aber da war
und unerklärlich blieb, bis sie den Deckel öffnete, ins Innere hineinleuchtete
und hart gewordenen Affenkot fand, der auf den Saiten und Hämmern klebte. Der
Affe schien ständig zu scheißen, schiss mehr, als sie ihm zu fressen gab. Es
war, als wäre er darauf abgerichtet, auszuscheiden, was auszuscheiden war,
koste es, was es wolle, und so die Absurdität ihrer Existenz zu versinnbildlichen.
Hilflos und niedergeschlagen wandte sie sich von dem Flügel ab, setzte sich vor
ihren Spiegel und rauchte eine Zigarette nach der anderen, bis ihre Zunge nach
Asche schmeckte
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