Wach auf, wenn du dich traust
die Angelköder holst, vielleicht? Und auch sonst schön den Mund hältst. Damit du auch einen Stein im Brett hast bei ihm?«
»Ich scheiß auf so was«, sagte Finn.
Jenny lachte heiser auf. »Das merkt man ja. Tust immer schön alles, was Markus sagt. Braver Junge.«
»Das ist was anderes«, sagte Finn.
»Ich versteh dich echt nicht«, sagte Jenny. »Finn, du lässt dich hier von allen zum Deppen machen und wehrst dich nicht mal!«
»Du weißt nichts von mir«, gab Finn hart zurück. Seine Stimme war lauter geworden. »Nichts, hörst du!«, wiederholte er.
»Dann erzähl es mir eben.«
Finn lachte auf. »Das wird dich kaum interessieren. Du kommst ja aus der heilen Welt. Gib dich lieber nicht mit einem wie mir ab.«
»Ach ja?«, sagte Jenny genervt. »Und was weißt du von mir?«
Er antwortete nicht.
Ein Waldvogel schrie.
»Finn?« sagte Jenny leise. »Ich hab Angst.«
Als Finn nicht antwortete, drückte sie eine Taste auf ihrem Handy. Das Display erhellte sich wieder. Sie las die SMS ihres Vaters.
Glaub an deine Gefühle. Sei mutig. Such dir Verbündete.
Jenny hielt Finn das Handy vors Gesicht.
»Er hätte besser schreiben sollen, dass er dich hier rausholt«, sagte Finn finster. Jenny sah selbst noch einmal auf das Display.
Sei mutig. Such dir Verbündete.
»Ich habe es versucht«, hörten sie Markus’ Stimme.
Er stand plötzlich im Zelteingang. Seine Schultern wirkten noch breiter als sonst. Es war zu dunkel, um seinen Gesichtsausdruck zu erkennen, doch sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass er stinksauer war.
»Man kann mir nicht nachsagen, dass ich es nicht versucht hätte.« Er machte eine Pause, dann streckte er die Hand aus.
Jenny wusste, sie sollte das Handy hineinlegen, doch sie zögerte. Sei mutig.
Finn begann, in der Ausrüstung herumzukramen. Jaja, die Angelausrüstung, dachte sie.
»Ich habe meine Eltern um Hilfe gebeten«, sagte Jenny und erschrak darüber, wie zittrig ihre Stimme klang.
»Hilfe?«, sagte Markus verständnislos. »Hilfe wobei? Beim Regelnbrechen?«
Er sah kurz in Finns Richtung. »Brauchst du irgendwas?«, fragte er mühsam beherrscht.
»Ich find’s schon«, gab Finn zurück.
»Gut.« Markus streckte Jenny die Hand noch weiter entgegen. Er war jetzt so nah, dass er ihr das Handy einfach aus der Hand nehmen könnte. Sie reagierte nicht.
»Jede Hilfe, die du benötigst, Jenny, kannst du von mir bekommen. Jemand anderen brauchst du nicht.«
»Doch, den brauche ich«, sagte Jenny. Finn schien gefunden zu haben, was er suchte. Doch statt das Zelt zu verlassen, blieb er mit gesenktem Kopf neben ihr stehen.
Markus trat dicht an Jenny heran. Sie konnte sein Shampoo riechen.
»Ich bin ein geduldiger Mensch«, sagte er. »Aber alles hat seine Grenzen. Wer sich hier an die Regeln hält, hat auch nichts zu befürchten. Alle anderen müssen sich wohl oder übel mit den Konsequenzen abfinden. So ist das nun mal. Und jetzt gib mir endlich das Handy.«
»Nein.«
Markus’ Augen blitzten gefährlich. »Habe ich mich nicht verständlich ausgedrückt?«, fragte er. »Handys sind auf dieser Freizeit verboten! Daran werden auch Mama und Papa nichts ändern!« Er riss ihr das Telefon aus der Hand. Jenny war wie erstarrt.
»Und du, Herr Firnbach?«, sagte Markus. »Was hast du damit zu tun? Steckst du unter einer Decke mit ihr? Hast du unser Gespräch bereits vergessen? Mach dich nicht noch unglücklicher!«
Finn hielt stumm den Angelkasten hoch, Markus griff danach. Dann drehte er sich um.
»Das wird noch ein Nachspiel haben«, sagte er an Jenny gewandt, »darauf kannst du dich verlassen. Und du, Herr Firnbach, kommst mit.«
»Muss nur noch hier aufräumen«, nuschelte Finn und zeigte auf das Chaos im Innenzelt. Markus sah von Jenny zu Finn und wieder zurück. Dann stapfte er ohne ein weiteres Wort mit langen Schritten los. Zum ersten Mal fiel Jenny auf, dass er ausgeprägte O-Beine hatte. Sie konnte das Feuer durch die Lücke zwischen seinen Knien hindurchscheinen sehen.
Finn kramte im Zelt herum und stapelte die umgefallenen Schwimmwesten übereinander.
»Ja, räum du nur schön auf«, höhnte Jenny.
Finn sah zu ihr hoch. »Was willst du eigentlich von mir?«
»Was ist da heute passiert zwischen euch?«, fragte Jenny.
»Was meinst du?« Finns Augen sahen jetzt an ihr vorbei ins Leere.
Nein, Finn, flehte Jenny innerlich, verschwinde jetzt nicht wieder irgendwo. Lass du mich nicht auch allein. Bitte!
»Im Wald«, redete sie verzweifelt gegen das
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