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Wach auf, wenn du dich traust

Wach auf, wenn du dich traust

Titel: Wach auf, wenn du dich traust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Mohr
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übermächtige Gefühl der Sinnlosigkeit an, »du warst…« Sie suchte hastig nach Worten. »…irgendwie anders. Als ob du einen Geist gesehen hättest.«
    »Vielleicht hab ich das ja auch.«
    Finn sah sie ernst an.
    »Glaubst du, mein Vater hat recht?«, fragte Jenny unvermittelt.
    Finn antwortete nicht. Er ließ den Stapel Schwimmwesten los, dann trat er aus dem Innenzelt.
    Er drängte sich an Jenny vorbei und wollte ohne weiteren Kommentar auf den Feuerplatz zugehen.
    Doch dann drehte er sich um und sagte, ohne sie dabei anzusehen: »Mit den ersten beiden Sachen schon«, sagte er, »bloß das mit den Verbündeten, da hat er zu viele Filme gesehen.«
    Er sah sie kurz an, dann zuckte er mit den Achseln und ging.
    »Du bist einfach nur ein mickriger Feigling!«, schrie Jenny los, ohne darüber nachzudenken, dass alle sie jetzt hören konnten. »Suhlst dich in Selbstmitleid!«
    Finn reagierte nicht.
    »Leck mich«, zischte Jenny und stapfte in die Dunkelheit.
    Am Mädchenzelt angekommen, riss sie den Reißverschluss hoch. Sie erwartete jeden Augenblick, dass jemand kommen würde. Irgendjemand, der sie gehört hatte. Ihre Stimme musste doch über den ganzen Platz geschallt sein! Doch niemand kam. Nicht einmal Debbie. Wahrscheinlich zu sehr damit beschäftigt, mit Silvio herumzuknutschen, dachte sie, und fragte sich, wieso sie eigentlich so enttäuscht war. Hatte sie etwas anderes erwartet?
    Vom Lagerfeuer drangen Stimmen und Lachen herüber. Jenny stolperte im Stockfinsteren zu ihrem Platz. Angezogen legte sie sich auf den Schlafsack und starrte mit brennenden Augen ins Dunkel.
    Es würde niemand kommen. Egal, ob sie jemand gehört hatte oder nicht – niemand würde kommen.
    Am Lagerfeuer wurde jetzt gesungen. Die Stimmen von Sabrina und Tanja klangen wie Kreischen in Jennys Ohren. Blind vor Wut, Enttäuschung und Dunkelheit kramte sie in ihrem Rucksack herum. Sie musste hier weg. Sie fand ihren Geldbeutel und öffnete ihn. Zwanzig Euro. Nicht viel, aber für eine Fahrt nach Hause würde es wohl reichen.
    Wenn sie bloß wüsste, wo hier der nächste Bahnhof war. Oder wenigstens eine Bushaltestelle. Ob da jetzt überhaupt noch Busse fuhren?
    »Jenny?«, hörte sie eine leise Stimme, als sie eben versuchte, den Schlafsack in seine Hülle zu stopfen. Sie zuckte zusammen, griff nach ihrem Messer und knipste die kleine LED-Taschenlampe an. Denise lag zusammengerollt neben ihr.
    »Was machst du denn hier?«, fragte Jenny. Denise blinzelte und Jenny lenkte den Strahl der Lampe aus ihrem Gesicht.
    »Mir ist kalt«, flüsterte Denise und ihre Stimme klang so erschöpft, dass Jenny merkte, wie erschlagen sie selbst eigentlich war. Ihr Tatendrang schmolz zusammen, als sie Denise als kleines zusammengerolltes Bündel neben sich betrachtete.
    Sie knipste die Lampe aus und rückte ihren Schlafsack nahe an Denise heran.
    »Du bist so mutig«, flüsterte Denise.
    »Nein«, sagte Jenny bitter, »ich bin nur diejenige, die allen auf die Nerven geht.«
    »Stimmt doch gar nicht«, widersprach Denise. Sie legte den Kopf auf Jennys Schulter. »Ich finde es toll, dass du immer sagst, was du denkst.«
    »Ja, ganz toll«, erwiderte Jenny. »Und warum machst du es dann nicht selbst, wenn es so großartig ist?«
    Denise antwortete nicht. Ihr kleiner Körper verkrampfte sich. Jenny wusste, dass sie unfair war, doch sie war einfach zu erschöpft, um noch Rücksicht zu nehmen.
    »Ich kann das nicht«, sagte Denise dann.
    »Jeder kann das«, widersprach Jenny, »das ist doch nicht kompliziert. Was sag ich denn schon Besonderes?«
    »Alles, was du sagst, ist richtig«, sagte Denise und sah sie aus großen Augen an.
    Jenny wandte sich ab. »So ein Blödsinn«, sagte sie, »ich hab doch überhaupt keine Ahnung, was richtig ist.«
    »Doch, das weißt du. Ich weiß, dass es das Richtige ist.«
    Jenny wusste nicht, was sie antworten sollte. Sie legte ihre Arme um Denise und nahm das kaum merkliche Zittern war, das die Kleine erfasst hatte. So blieben sie eine Weile sitzen.
    »Weinst du?«, flüsterte Jenny irgendwann.
    »Nein«, sagte Denise tonlos, »mache ich fast nie.«
    Jenny strich ihr gedankenverloren über die Haare. Dann streckte sie sich aus und fiel in einen traumlosen, erschöpften Schlaf.
    Als Jenny mitten in der Nacht erwachte, war ihr Arm taub. Denise lag mit dem Kopf darauf und schien sich die ganze Zeit nicht bewegt zu haben. Sie selbst lag noch immer angezogen auf ihrer Isomatte und ihr war kalt. Jenny bettete den Kopf des Mädchens

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