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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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stimmt’s?«
    »Oh, äh, nein, das glaube ich eigentlich nicht«, wandte Lady Käsedick ein. »Drachen haben einen sehr gut ausgeprägten Geruchs- und Geschmackssinn, weißt du.«
    Der große Drache betrachtete den kleinen goldfarbenen Gegenstand. Ganz behutsam streckte er eine lange Klaue aus und nahm das Objekt aus den zitternden Händen des Hohepriesters.
    »Wie meinst du das?« fragte Mumm und beobachtete, wie sich die Klaue langsam dem breiten und pferdeartigen Gesicht näherte.
    »Sie können enorm gut riechen und selbst zwischen subtilen Geschmacksnuancen unterscheiden. Weil sie so, äh, chemisch orientiert sind.«
    »Soll das heißen, er kann Gold
schmecken?«
hauchte Mumm, als eine Drachenzunge über die Krone tastete.
    »Ja. Und riechen.«
    Mumm fragte sich, wie groß die Wahrscheinlichkeit dafür war, daß die Krone wirklich aus Gold bestand. Bestimmt ließ sie sich nur hinter dem Komma ausdrücken, und zwar nach der Null. Vielleicht Goldfolie auf Kupfer, ja. Das genügte, um Menschen zu täuschen. Dann überlegte Mumm, wie Menschen auf angeblichen Zucker reagierten, der sich im Kaffee als Salz entpuppte.
    Die Klaue des Drachen löste sich in einem anmutigen Bogen vom Maul und traf den Hohepriester, der gerade fortzuschleichen versuchte. Der Hieb schleuderte den alten Mann hoch in die Luft. Als er den Scheitelpunkt seiner Flugbahn erreichte und aus vollem Halse schrie, drehte das Ungeheuer den Kopf, öffnete den Rachen und…
    »Potzblitz!« entfuhr es Lady Käsedick.
    Die Zuschauer in den Straßen stöhnten.
    »Welch
enorme
Temperatur!« brachte Mumm hervor. »Ich meine, es ist überhaupt nichts übriggeblieben! Nur eine Rauchwolke!«
    Erneut regte sich etwas zwischen den Trümmern. Eine zweite Gestalt stand auf und lehnte sich benommen an die Reste eines geborstenen Balkens.
    Lupin Wonse, in einen Kokon aus Ruß gehüllt.
    Mumm beobachtete, wie der Sekretär in zwei kanaldeckelgroße Nüstern blickte.
    Wonse lief los. Mumm fragte sich, was man bei einer solchen Flucht empfand. Man mußte jederzeit damit rechnen, von einem Flammenstrahl getroffen zu werden, der selbst Stahl verdampfen ließ. Nun, vermutlich fühlte man sich unter derartigen Umständen nicht besonders wohl.
    Wonse schaffte es halb über den Platz, bevor der Drache überraschend flink vorsprang und ihn packte. Die Klaue hob den Mann hoch und hielt ihn dicht vor den Rachen.
    Eine Zeitlang musterte das Ungetüm die winzige Gestalt, drehte sie dabei hin und her. Dann stampfte der Drache auf drei Beinen davon, schlug ab und zu mit den Flügeln, um das Gleichgewicht zu wahren, und näherte sich dem Gebäude, das erst der Palast des Patriziers und – für sehr kurze Zeit – der Regierungssitz des Königs gewesen war.
    Das riesige Wesen übersah die ängstlichen Zuschauer, die sich stumm an Wände und Mauern preßten. Mit entmutigender Mühelosigkeit stieß es den granitenen Torbogen beiseite. Die eisenbeschlagene und sehr massive Tür hielt erstaunliche zehn Sekunden lang stand, bevor sie sich in einen Haufen glühender Asche verwandelte.
    Der Drache setzte den Weg fort.
    Lady Käsedick drehte sich verwirrt um. Mumm hatte zu lachen begonnen.
    Es war ein irres Lachen, und Tränen quollen ihm in die Augen. Er lachte und lachte, sank dabei langsam an dem Zierbrunnen hinunter und streckte die Beine von sich.
    »Hurra, hurra, hurra!« kicherte er und schnappte nach Luft.
    »Himmel, was ist los mit dir?« fragte Lady Käsedick.
    »Schwenkt die Fahnen! Blast die Becken, röstet die Glocken! Wir haben ihn gekrönt! Endlich gibt es einen König in der Stadt! Hoho!«
    »Hast du getrunken?« erkundigte sich Ihre Ladyschaft argwöhnisch.
    »Noch nicht!« gluckste Mumm. »Noch nicht! Aber das hole ich bald nach!«
    Er lachte noch immer und wußte: Wenn er aufhörte, fielen Niedergeschlagenheit und Verzweiflung wie ein bleiernes Soufflé auf ihn herab. Ganz deutlich sah er die Zukunft Ankh-Morporks…
    Immerhin war der Drache eindeutig
erhaben.
Er trug kein Geld, und er konnte auch nicht antworten. Außerdem fiel ihm die Innenstadtsanierung bestimmt nicht schwer: Er riß die alten Gebäude nicht ab, sondern schmolz sie nieder.
    Darauf läuft es hinaus,
dachte Mumm.
Typisch für diese Stadt. Wenn man das Biest nicht besiegen oder bestechen kann, so setzt man es eben auf den Thron und behauptet, das sei von Anfang an beabsichtigt gewesen.
    Vivat Draco.
    Mumm stellte fest, daß sich ihm wieder das kleine Kind genähert hatte. Es winkte freundlich mit einem

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