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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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lieferte.
    Mumm hielt sich an einem Zierbrunnen fest, als die panikerfüllte Menge vorbeistürmte. In jeder Straße, die vom Platz fortführte, herrschte wildes Gedränge, und hinzu kam eine gespenstische Stille. Die Leute verschwendeten nicht mehr ihren Atem, indem sie schrien. Sie beschränkten sich auf die stumme und feste Entschlossenheit, einen anderen Ort aufzusuchen.
    Der Drache breitete die Schwingen aus und hob sie träge. Die letzten Fliehenden nahmen dies zum Anlaß, auf die Schultern der Leute vor ihnen zu klettern und von Kopf zu Kopf zu springen.
    Innerhalb weniger Sekunden war der Platz leer, abgesehen von den Dummen und hoffnungslos Verblüfften. Selbst die Niedergetrampelten legten einen Kriechsprint zur nächsten Gasse ein.
    Mumm sah sich um. Überall lagen Fahnen und Banner, und einige von ihnen wurden von einem betagten Ziegenbock gefressen, der sein Glück überhaupt nicht fassen konnte. Mehrere Dutzend Meter entfernt hockte Treibe-mich-selbst-in-den-Ruin auf allen vieren und versuchte, den verstreuten Inhalt seines Bauchladens einzusammeln.
    Neben Mumm stand ein kleines Kind, winkte zögernd mit einem Fähnchen und rief: »Hurra!«
    Stille schloß sich an.
    Mumm bückte sich.
    »Ich glaube, du solltest jetzt nach Hause gehen«, sagte er.
    Das Kind sah zu ihm auf.
    »Bist du ein Wächter?« fragte es.
    »Nein«, erwiderte Mumm. »Und ja.«
    »Was ist mit dem König passiert, Wächter?«
    »Äh«, sagte Mumm. »Vielleicht hat er den Platz verlassen, um irgendwo ein Nickerchen zu machen.«
    »Meine Tante sagt, ich soll nicht mit Wächtern sprechen«, verkündete das Kind.
    »Hältst du es vielleicht für eine gute Idee, nach Hause zurückzukehren und ihr zu erzählen, wie gehorsam du gewesen bist?« fragte Mumm.
    »Meine Tante sagt, wenn ich ungezogen bin, setzt sie mich aufs Dach und ruft den Drachen«, plauderte das Kind. »Meine Tante sagt, er frißt einen ganz auf und fängt mit den Beinen an, so daß man dabei zusehen kann.«
    »Warum gehst du nicht nach Hause und richtest deiner Tante aus, daß ihre Erziehungsmethoden den besten Traditionen Ankh-Morporks entsprechen?« erwiderte Mumm. »Lauf jetzt.«
    »Er zermalmt die Knochen«, fuhr das Kind fröhlich fort. »Und wenn er sich den Kopf vornimmt…«
    »Er hockt dort drüben!« rief Mumm. »Der große böse Drache, dem es so sehr gefällt, Knochen zu zermalmen! Geh jetzt
heim!«
    Das Kind beobachtete den schuppigen Riesen auf dem zerschmetterten Podium.
    »Ich habe noch nicht gesehen, wie er jemanden gefressen hat«, beklagte es sich.
    »Verzieh dich, wenn du dir keine Backpfeife holen willst!« knurrte Mumm.
    Damit schien er eine gewisse Wirkung zu erzielen. Das Kind nickte verständnisvoll.
    »Na schön. Kann ich noch einmal ›Hurra‹ rufen?«
    »Wenn du unbedingt willst…« Mumm ächzte leise.
    »Hurra!«
    Kein Wunder, daß es so schwer ist, in dieser Stadt für Ordnung zu sorgen,
dachte Mumm. Erneut sah er hinter dem Zierbrunnen hervor.
    »Du kannst sagen, was du willst«, erklang eine Stimme über ihm. »Meiner Meinung nach ist er ein wahres Prachtexemplar.«
    Mumms Blick glitt an dem Brunnen hervor und erreichte schließlich das oberste Becken.
    »Ist dir aufgefallen, daß jedesmal ein Drache erscheint, wenn wir uns begegnen?« Sybil Käsedick stützte sich an einer verwitterten Statue ab, kletterte herunter und bedachte Mumm mit einem bedeutungsvollen Lächeln. »Ob das ein Zeichen für uns ist?«
    »Er hockt einfach da«, erwiderte Mumm hastig. »Beobachtet nur. Vielleicht wartet er auf etwas.«
    Der Drache blinzelte mit jurassischer Geduld.
    Die Straßen am Rande des Platzes waren noch immer voller Menschen.
Das ist der typische Ankh-Morpork-Instinkt,
dachte Mumm.
Lauf weg und bleib dann stehen, um festzustellen, ob anderen Leuten irgendwas Interessantes zustößt.
    In den Trümmern neben den vorderen Tatzen des Ungetüms bewegte sich etwas. Der Hohepriester des Blinden Io stand auf, strich sich Staub und Holzsplitter vom Umhang. In der einen Hand hielt er noch immer die hastig angefertigte Krone.
    Mumm sah, wie der alte Mann aufblickte und in zwei rote Augen starrte, von denen ihn nur knapp zwei Meter trennten.
    »Können Drachen Gedanken lesen?« fragte Mumm.
    »Ich bin sicher, daß meine jedes Wort verstehen, das ich sage«, zischte Lady Käsedick. »O nein! Der Narr gibt ihm die Krone!«
    »Ein kluger Schachzug, nicht wahr?« erwiderte Mumm. »Drachen mögen Gold. Es ist so, als werfe man einen Stock, den der Hund holen soll,

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