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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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grüblerische Statue inmitten von Pflastersteinen vor, zwischen denen es von kleinen schattenhaften Geschöpfen und plötzlichem politischen Tod wimmelte. Wahrscheinlich fiel es ihm wesentlich leichter als die Herrschaft über Ankh-Morpork – in der Stadt gab es größeres Ungeziefer, das nicht beide Hände brauchte, um ein Messer zu halten.
    Am Abflußgitter klirrte etwas. Fünf oder sechs Ratten krochen aus dem Bodenloch und trugen einen tuchumhüllten Gegenstand. Sie dirigierten ihn durch eine Lücke zwischen den verrosteten Gitterstäben, transportierten ihn schließlich bis zu den Füßen des Patriziers. Lord Vetinari beugte sich vor und löste den Knoten.
    »Nun, allem Anschein nach haben wir hier Käse, Hähnchenschenkel, recht trockenes Brot und eine Flasche mit, oh, offenbar enthält sie Merckel und Stechmaus’ Hochberühmte Braune Soße. Ich habe
Bier
bestellt, Skrp.« Das Rattenoberhaupt rümpfte die Nase. »Entschuldige bitte, Mumm. Sie können nicht lesen, weißt du. Kommen einfach nicht damit klar. Aber sie verstehen sich wirklich ausgezeichnet aufs Zuhören und bringen mir alle Neuigkeiten.«
    »Du scheint es hier recht bequem zu haben«, kommentierte Mumm unsicher.
    »Eins meiner Mottos lautet: Baue nie einen Kerker, in dem du nicht selbst übernachten möchtest«, erwiderte der Patrizier und breitete die einzelnen Speisen aus. »Es ginge weitaus besser in der Welt zu, wenn sich mehr Menschen an dieses Prinzip hielten.«
    »Wir dachten immer, du hättest geheime Tunnel und dergleichen anlegen lassen«, sagte Mumm.
    »Warum sollte ich?« fragte Lord Vetinari. »Dann müßte man ständig unterwegs sein. Welch eine Verschwendung nützlicher Energie! Eigentlich sitze ich hier im Zentrum des allgemeinen Geschehens. Ich hoffe, das verstehst du, Mumm. Man vertraue niemals einem Herrscher, der sich auf geheime Tunnel, Schlupfwinkel und Fluchtwege verläßt. In einem solchen Fall spricht vieles dafür, daß er seine Regierungspflichten nicht ernst genug nimmt.«
    »Oh.«
    Er sitzt in einem Kerker seines eigenen Palastes,
dachte Mumm.
Weiter oben ist ein Irrer am Werk, und ein Drache verbrennt die Stadt. Trotzdem glaubt er, alles vollkommen unter Kontrolle zu haben.
Es
muß an dem hohen Amt liegen. Die Höhe bringt manche Leute um den Verstand.
    »Du, äh, hast doch nichts dagegen, wenn ich mich hier umsehe, oder?« fragte er.
    »Fühl dich wie zu Hause«, entgegnete der Patrizier.
    Mumm durchquerte das Verlies und überprüfte die Tür. Es bestand kein Zweifel daran, daß es sich um einen sehr guten Kerker handelte. Es war ein Kerker, in dem man ruhigen Gewissens gefährliche Verbrecher unterbringen konnte. Unter solchen Umständen zog man es natürlich vor, daß keine Falltüren, geheime Tunnel oder verborgene Fluchtwege existierten.
    Doch diesmal lag der Fall ein wenig anders. Wirklich erstaunlich, auf welche Weise ein Meter dicke Mauern die Perspektive veränderten.
    »Sehen die Wächter häufig nach dem Rechten?« erkundigte sich Mumm.
    »Eigentlich nie«, sagte der Patrizier und winkte mit einem Hähnchenschenkel. »Bisher haben sie sich nicht die Mühe gemacht, mir etwas zu essen zu bringen. Weißt du, normalerweise soll ein Gefangener hier drin langsam vermodern. Nun, bis vor kurzer Zeit bin ich ab und zu zur Tür gegangen und habe ein wenig gestöhnt, damit die Wächter zufrieden sind.«
    »Aber bestimmt kommen sie irgendwann herein, um festzustellen, ob alles in Ordnung ist, oder?« fragte Mumm hoffnungsvoll.
    »Oh, ich glaube, das sollten wir nicht zulassen«, erwiderte Lord Vetinari.
    »Wie willst du es verhindern?«
    Der Patrizier bedachte ihn mit einem mißbilligenden Blick.
    »Mein lieber Mumm«, sagte er, »ich habe dich für einen aufmerksamen Beobachter gehalten. Hast du die Tür überprüft?«
    »Natürlich«, bestätigte Mumm und fügte hinzu: »Herr. Sie ist verdammt massiv.«
    »Vielleicht solltest du sie dir noch einmal ansehen. Und zwar etwas genauer.«
    Mumm starrte den Patrizier groß an, kehrte zur Tür zurück und betrachtete sie. Sie gehörte zu den in letzter Zeit recht beliebten Schreckensportalen, bestand nur aus Riegeln, stählernen Bolzen, eisernen Spitzen und besonders dicken Angeln. Mumm beobachtete sie eine ganze Zeitlang, aber sie wurde nicht weniger massiv. Das Schloß schien aus Zwergenproduktion zu stammen – man brauchte Jahre, um es zu knacken. Anders ausgedrückt: Wenn man nach einem Symbol für ein absolut unüberwindliches Hindernis suchte, so fiel die erste Wahl

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