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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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konnte, und anschließend brauchte er nur noch schlank genug zu werden, um durch eine zwanzig Zentimeter durchmessende Öffnung zu kriechen.
    In dem Kerker
fehlten
Ratten, Skorpione, Kakerlaken und Schlangen. Oh, er
hatte
einmal Schlangen enthalten, denn Mumms Sandalen knirschten auf dünnen und langen weißen Skeletten.
    Er schob sich behutsam an einer feuchten Wand entlang und fragte sich, woher das rhythmische Kratzen stammte. Kurz darauf trat er hinter einem viereckigen Stützpfeiler hervor und fand die Antwort auf seine Frage.
    Der Patrizier rasierte sich und blickte dabei in einen großen Spiegelsplitter, der so an einer Säule lehnte, daß er das Licht aus dem Wandgitter einfing. Nein, das stimmte nicht ganz, stellte Mumm fest. Er lehnte nicht, sondern wurde gehalten. Von einer Ratte. Von einer ziemlich großen Ratte mit roten Augen.
    Der Patrizier nickte ihm zu und wirkte keineswegs überrascht.
    »Oh«, sagte er. »Mumm, nicht wahr? Ich hörte davon, daß du auf dem Weg hierher warst. Ausgezeichnet. Du solltest das Küchenpersonal bitten«, – bei diesen Worten merkte Mumm, daß sich Lord Vetinari an die Ratte wandte –, »zwei Mahlzeiten vorzubereiten. Möchtest du ein Bier, Mumm?«
    »Was?« fragte der ehemalige Hauptmann.
    »Du hättest bestimmt nichts dagegen. Ist jedoch reine Glückssache, weißt du. Skrps Volk ist intelligent genug, aber wenn’s um das Lesen von Flaschenetiketten geht, kommt eine Art blinder Fleck ins Spiel.«
    Der Patrizier betupfte sich das Gesicht mit einem Handtuch und ließ es dann fallen. Ein grauer Schatten huschte heran und zog es durchs Bodenloch.
    »In Ordnung, Skrp«, sagte Lord Vetinari. »Du kannst jetzt gehen.« Die Schnurrhaare der großen Ratte zitterten, als sie den Spiegel an die Wand lehnte und davonlief.
    »Du läßt dich von
Ratten
bedienen?« fragte Mumm erstaunt.
    »Nun, sie helfen mir ein wenig. Leider sind sie nicht besonders tüchtig. Es liegt an den Pfoten.«
    »Aber, aber, aber«, erwiderte Mumm. »Ich meine, wie ist das möglich?«
    »Ich vermute, Skrps Volk hat Tunnel, die bis zur Universität reichen«, erklärte Lord Vetinari. »Obwohl ich sicher bin, daß es schon gleich zu Anfang recht intelligent gewesen ist.«
    Zumindest damit konnte Mumm etwas anfangen. Es war allgemein bekannt, daß magische Strahlung die im Bereich der Unsichtbaren Universität lebenden Tiere beeinflußte, sie manchmal in winzige Analoga der menschlichen Zivilisation verwandelte und gelegentlich völlig neue spezialisierte Gattungen hervorbrachte, zum Beispiel die Wandfische oder den Bücherwurm vom Kaliber 303.
    »Und sie helfen dir?« vergewisserte sich Mumm.
    »Nun, das beruht auf Gegenseitigkeit«, antwortete der Patrizier. »Es ist eine Art Bezahlung für bestimmte Dienstleistungen.« Er nahm auf einem Objekt Platz, das Mumm als Samtkissen erkannte. In einem niedrigen Regal, griffbereit in der Nähe, lagen ein Notizblock und mehrere Bücher.
    »Was kannst du für Ratten tun, Herr?« fragte Mumm skeptisch.
    »Oh, ich berate sie.« Der Patrizier lehnte sich zurück. »Genau darin liegt das Problem bei Leuten wie Wonse«, fuhr er fort. »Die eigenen Grenzen sind ihnen unbekannt. Ratten, Schlangen
und
Skorpione. Hier ging es drunter und drüber, als ich eintraf. Die Ratten waren besonders schlimm dran.«
    Mumm glaubte, allmählich zu verstehen.
    »Mit anderen Worten: Du hast sie ausgebildet?«
    »Beraten«, sagte Lord Vetinari. »Ich habe sie beraten. Eins meiner Talente«, fügte er bescheiden hinzu.
    Mumm versuchte, sich die entsprechenden Ereignisse vorzustellen. Hatten sich die Ratten mit den Skorpionen gegen die Schlangen verbündet und ihre Stachelfreunde nach dem Sieg zu einem Festschmaus eingeladen? Oder waren einzelne Skorpione bestochen worden – vielleicht mit irgendwelchen Leckerbissen; in dieser Hinsicht versagte Mumms Phantasie total –, um ausgewählte Anführer der Schlangen des Nachts zu stechen?
    Er hatte einmal von einem Mann gehört, der jahrelang in einer Kerkerzelle saß, kleine Vögel dressierte und sich so ein wenig Freiheit schuf. Er dachte an alte Seeleute, die sich nach einem langen und gefährlichen Leben auf dem Meer damit begnügten, große Schiffe in kleinen Flaschen zu bauen.
    Dann dachte Mumm an den Patrizier, der, seiner Stadt beraubt, im Schneidersitz auf dem grauen Boden eines düsteren Verlieses hockte und
en miniature
das schuf, was ihm fehlte: all die kleinen Rivalitäten, Machtkämpfe und Fraktionen. Er stellte sich ihn als ernste,

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