Wachen! Wachen!
Verzweiflung trat er von einem feucht quatschenden Fuß auf den anderen.
»Du solltest besser mitkommen, Hauptmann«, drängte er. »Dort drüben ist gleich die Hölle los!«
Mumm winkte ab. »Soweit es mich betrifft«, antwortete er und mied dabei Lady Käsedicks durchdringenden Blick, »können die Leute ruhig von ihren Waffen Gebrauch machen.«
»Das meine ich nicht«, sagte Colon. »Es geht um Karotte. Er will den Drachen verhaften.«
Mumm blinzelte erneut.
»Was meinst du mit
verhaften?«
fragte er. »Meinst du wirklich das, was ich glaube?«
»Könnte durchaus sein, Sir«, entgegnete Colon unsicher. »Ja, das halte ich nicht für ausgeschlossen. Karotte war wie der Blitz auf dem Schutthaufen, griff nach einer Schwinge und sagte: ›Hab dich, Bürschchen!‹ Konnte es kaum fassen, Sir. Und noch etwas, Sir…«
»Ja?«
Der Feldwebel gestikulierte vage und suchte nach den richtigen Worten. »Nun, Sir, du hast uns doch darauf hingewiesen, daß Gefangene nicht verletzt werden dürfen…«
E in ziemlich großer und schwerer Dachbalken strich trügerisch langsam durch die Luft. Die in unmittelbarer Nähe stehenden Ankh-Morporkianer verstanden die Botschaft und hielten es für angeraten, einige Meter zurückzuweichen.
»Nun«,
sagte Karotte, hielt den Balken in einer Hand und schob mit der anderen seinen Helm zurück, »ich hoffe, ich habe mich klar genug ausgedrückt.«
Mumm bahnte sich einen Weg durch die dichte Menge und beobachtete die große Gestalt auf dem hohen Haufen, der aus Schutt und Schuppen bestand. Karotte drehte sich langsam um und hob den Balken wie einen Knüppel. Sein Blick ähnelte dem hellen Lichtstrahl eines Leuchtturms. Wo er auf die Bürger fiel, ließen die Leute voller Unbehagen ihre Waffen sinken.
»Ich warne euch«, fuhr Karotte fort. »Wer einen Wächter bei der Ausübung seiner Pflicht behindert, macht sich eines schweren Vergehens schuldig. Wer als nächster einen Stein nach mir wirft, wird von mir mit unnachgiebiger Strenge zur Verantwortung gezogen.«
Ein Stein prallte an der Seite seines Helms ab. Zornige Stimmen erklangen.
»Wir wollen den Drachen erledigen!«
»Geh endlich aus dem Weg!«
»Wir lassen uns nicht von Wächtern herumkommandieren!«
»Eingebildetum Kerlum militarum!«
»Wie? Ja!«
Mumm zog den Feldwebel zu sich heran. »Hol Seile. Möglichst viele Seile. Und sie müssen dick sein. Ich nehme an, wir können, äh, die Schwingen fesseln und auch den Rachen zubinden, damit das Biest kein Feuer mehr spucken kann.«
Colon musterte ihn verdutzt.
»Meinst du das im Ernst, Sir? Du willst den Drachen wirklich
verhaften?«
»Worauf wartest du noch?«
Er ist bereits verhaftet,
dachte Mumm, als er den Weg fortsetzte.
Ich persönlich hätte es vorgezogen, das Mistvieh im Meer zu versenken, aber jetzt ist es verhaftet. Wir müssen es in Gewahrsam nehmen oder freilassen. Eine andere Alternative gibt es nicht.
Als er die Empfindungen der Menge spürte, verflüchtigte sich sein eigener Zorn. Was sollten sie mit dem Drachen anstellen?
Eine Gerichtsverhandlung,
dachte er.
Wir verurteilen ihn, und anschließend findet die Hinrichtung statt. Nein, wir töten ihn nicht einfach – so etwas steht nur irgendwelchen Helden in der Wildnis zu. In Städten kann man nicht auf diese Weise vorgehen. Das heißt, man kann es schon, aber wenn man damit beginnt, sollte man gleich alles niederbrennen und noch einmal von vorn anfangen. Es kommt darauf an, nach den, äh, Vorschriften zu handeln.
Mumm nickte, zufrieden mit sich selbst.
Ja, genau. Wir haben alles andere versucht. Und jetzt probieren wir es zur Abwechselung mit dem Gesetz.
Außerdem steht dort oben ein Stadtwächter,
fügte er in Gedanken hinzu.
Wir müssen zusammenhalten. Weil kaum jemand etwas mit uns zu tun haben will.
Ein stämmiger Mann vor ihm holte mit einem halben Ziegelstein aus.
»Wenn du das Ding wirfst, bist du eine halbe Sekunde später tot«, sagte Mumm. Unmittelbar darauf zog er den Kopf ein und eilte durchs allgemeine Gedränge, während sich der Mann überrascht umsah.
Karotte hielt den Balken zum Zuschlagen bereit, als Mumm den Schutthaufen erkletterte.
»Oh, du bist’s, Hauptmann«, sagte er und ließ den improvisierten Knüppel sinken. »Ich melde hiermit die Verhaftung…«
»Ich weiß, ich weiß«, kam ihm Mumm zuvor. »Hast du irgendwelche Vorschläge in bezug darauf, was wir jetzt unternehmen sollen?«
»O ja, Sir«, erwiderte Karotte. »Ich muß dem Gefangenen seine Rechte
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