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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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der Korporal höflich und hob dabei die Hand zur vermeintlichen Stirnlocke.
    »Was soll das heißen, er hat keine Chance?« brummte Mumm. »Seht nur! Der Große hat ihn kein einziges Mal getroffen!«
    »Ja, aber Errol zielt immer sehr gut, und trotzdem zeigt sich der Gegner völlig unbeeindruckt. Ich glaube, sein Feuer ist nicht heiß genug. Oh, er weicht immer aus, zugegeben. Doch er braucht jedesmal Glück, während der andere Drache nur
einmal
etwas Glück benötigt.«
    Die Bedeutung dieser Worte senkte sich wie ein schweres Gewicht herab.
    »Soll das heißen«, sagte Mumm, »daß Errol nur eine
Schau
abzieht? Daß er den Großen
beeindrucken
will?«
    »Ihn trifft keine Schuld«, warf Colon ein und materialisierte hinter ihnen. »Ist wie mit Hunden, nichwahr? Er begreift überhaupt nicht, mit
wem
er es zu tun hat. Wahrscheinlich sieht er nur eine harmlose Balgerei darin.«
    Beiden Drachen schien klarzuwerden, daß der Kampf in die allgemein bekannte Sackgasse eines klatschianischen Patts geraten war. Ein weiterer Rauchring entstand, gefolgt von einer weißen Flamme, und dann wichen die beiden Gegner voneinander zurück, bis der Abstand zwischen ihnen einige hundert Meter betrug.
    Der König schwebte und schlug schneller als sonst mit den Schwingen. Höhe. Darauf kam es an. Wenn Drachen gegeneinander kämpften, bot Höhe einen beträchtlichen Vorteil…
    Errol tanzte auf seiner Flamme und schien zu überlegen.
    Dann trat er lässig mit den Hinterbeinen – es sah aus, als beherrschten Drachen seit Jahrmillionen das Balancieren auf den eigenen Verdauungsgasen –, schlug einen eleganten Purzelbaum und floh. Für einen Sekundenbruchteil verwandelte er sich in einen silbernen Streifen, und wann war er über die Stadtmauer hinweg und verschwunden.
    Ein Stöhnen folgte ihm. Es stammte aus zehntausend Kehlen.
    Mumm warf die Arme hoch.
    »Mach dir keine Sorgen, Chef«, sagte Nobby rasch. »Bestimmt will er nur, äh, was trinken oder so. Vielleicht ist dies das Ende der ersten Runde. Könnte doch sein, oder?«
    »Ich meine, er hat unseren Kessel und das andere Zeug verspeist«, fügte Colon unsicher hinzu. »Er würde sich nicht einfach aus dem Staub machen, nachdem er einen Kessel gefressen hat. Ist doch logisch. Ich meine, wer einen Kessel verdauen kann, braucht sich vor nichts zu fürchten.«
    »Und mein Poliermittel«, warf Karotte ein. »Die Dose hat fast einen ganzen Dollar gekostet.«
    »Na bitte«, brummte Colon. »Ich sag’s ja.«
    »Jetzt hört mir mal gut zu«, erwiderte Mumm und versuchte mühsam, die Beherrschung nicht zu verlieren. »Errol ist ein niedlicher Sumpfdrache. Ein netter kleiner Kerl, den ich ebensosehr mag wie ihr. Aber bei allen Göttern: Er hat gerade eine sehr vernünftige Entscheidung getroffen. Meine Güte, er will sich nicht verbrennen lassen, nur um uns zu retten. Ihr solltet euch endlich damit abfinden, daß es im Leben anders zugeht.«
    Der große Drache stolzierte durch die Luft und richtete seinen Flammenstrahl auf einen nahen Turm. Er hatte gewonnen.
    »So etwas habe ich zum erstenmal beobachtet«, ließ sich Lady Käsedick vernehmen. »Normalerweise kämpfen Drachen bis zum Tod.«
    »Dann gibt es wenigstens ein vernünftiges Exemplar«, sagte Mumm verdrießlich. »Seid doch ehrlich: Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß ein so kleines Geschöpf wie Errol den großen Drachen besiegt, ist eins zu einer Million.«
    Es schloß sich jene Art von Stille an, die man nur dann bekommt, wenn ein hoher klarer Ton erklingt und die Welt den Atem anhält.
    Die Wächter wechselten bedeutungsvolle Blicke.
    »Eins zu einer Million?« wiederholte Karotte fasziniert.
    »Nicht mehr und nicht weniger«, bestätigte Mumm. »Eins zu einer Million.«
    Colon, Nobby und Karotte nickten langsam.
    »Eins zu einer Million«, wiederholte der Feldwebel.
    »Eins zu einer Million«, pflichtete ihm der Korporal bei.
    »In der Tat«, sagte der Obergefreite. »Eins zu einer Million.«
    Erneut folgte ein hochfrequentes Schweigen. Die Wächter fragten sich, wer
es
aussprechen würde.
    Feldwebel Colon holte tief Luft.
    »Aber es könnte klappen«, sagte er.
    »Wovon redest du da?« hielt ihm Mumm scharf entgegen. »Es ist doch völlig absurd anzunehmen…«
    Nobby stieß ihn in die Rippen und deutete über die Ebene.
    Weit jenseits der Stadtmauern hatte sich eine Säule aus schwarzem Rauch gebildet. Mumm kniff die Augen zusammen. Ein silbernes Geschoß flog vor dem Qualm und jagte über die Kohlfelder.
    Der große Drache

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