Wachen! Wachen!
gefühlt. Ebensowenig in Gegenwart von Lord Vetinari. Allerdings erfüllte ihn die Anwesenheit des Patriziers mit einer anderen Art von Unbehagen – es gründete sich auf die Furcht des Untertanen vor der absoluten Autorität. Was Wonse betraf… Mumm kannte ihn seit seiner Kindheit in den Schatten. Schon als Junge hatte er vielversprechende Talente gezeigt. Wonse wurde nie zu einem Bandenführer, weil es ihm an Kraft und Zähigkeit fehlte. Außerdem: War es überhaupt sinnvoll, Anführer einer Bande zu sein, wenn es ständig ehrgeizige Leute gab, die sich selbst befördern und das Kommando übernehmen wollten? Die meisten Bandenführer haben eine nur geringe Lebenserwartung. Aber in jeder Bande gibt es einen blassen Jungen, der nur deshalb bleiben darf, weil er die besten Ideen hat (meistens geht es dabei um alte Frauen und unverschlossene Läden). Dies war Wonses natürlicher Platz in der sozialen Struktur des Universums.
Mumm war damals ein einfaches Bandenmitglied gewesen, das Falsett-Äquivalent eines Jasagers. Die Erinnerung zeigte ihm Wonse als kleinen dünnen Jungen, der ständig verschlissene Hosen trug und sich in einer Art Spring-Hüpf-Lauf bewegte, um mit den größeren Jungen Schritt zu halten. Ständig ließ er sich etwas Neues einfallen, um seine Kumpanen daran zu hindern, ihm irgendwelche Streiche zu spielen – ihre normale Freizeitbeschäftigung, wenn sich nichts Interessanteres ergab. Diese geistige Akrobatik war eine ausgezeichnete Vorbereitung auf die diversen Unbilden der Erwachsenenalters, und Wonse entwickelte sie zur Meisterschaft.
Trotzdem: Sie hatten beide in der Gosse begonnen. Wonse arbeitete sich nach oben, doch Mumm mußte sich eingestehen, daß die Sprossen
seiner
Karriereleiter nur aus weiteren Rinnsteinen bestanden. Wenn tatsächlich einmal irgendein Erfolg in greifbare Nähe rückte, unterlief ihm regelmäßig der Fehler, seine Meinung zu sagen – und es war immer die falsche.
Deshalb prickelte Nervosität in Mumm, wenn er es mit Wonse zu tun bekam: Es lag am Ticken des präzisen Uhrwerks der Zielstrebigkeit.
Als das Schicksal kam und Zielstrebigkeit verteilte, ging Mumm leer aus.
»Ah, Mumm.«
»Sir«, erwiderte der Hauptmann und salutierte nicht, weil er fürchtete, dadurch das Gleichgewicht zu verlieren. Er bedauerte es, noch keine Gelegenheit gefunden zu haben, zu Abend zu trinken.
Wonse kramte in den Papieren auf seinem Schreibtisch.
»Seltsame Dinge geschehen, Mumm«, sagte er. »Leider liegen ernste Beschwerden über dich vor.« Wonse trug keine Brille – andernfalls hätte er Mumm jetzt über ihren Rand hinweg gemustert.
»Sir?«
»Einer deiner Männer aus der Nachtwache. Offenbar hat er das Oberhaupt der Diebesgilde verhaftet.«
Hauptmann Mumm schwankte ein wenig und trachtete danach, sich zu konzentrieren. Auf so etwas war er nicht vorbereitet.
»Entschuldigung, Sir«, erwiderte er. »Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz.«
»Ich
sagte:
Einer deiner Männer hat das Oberhaupt der Diebesgilde verhaftet.«
»Einer meiner Männer?«
»Ja.«
Mumms versprengte Hirnzellen versuchten tapfer, sich neu zu gruppieren. »Ein Angehöriger der
Wache?«
fragte er.
Wonse lächelte erbarmungslos. »Er hat dem Gildenpräsidenten die Hände gebunden und ihn zum Palast geführt, was natürlich ziemliches Aufsehen erregte. Außerdem hinterließ er eine Nachricht – ah, hier ist sie ja. ›Gemäß Paragraph 14 (iii) der Allgemeinen Verordnung
Zur Bekämpfung von Schwerverbrechen
wird diesem Mann Begünstigung von gemeingefährlicher Kriminalität vorgeworfen. Gezeichnet Karotte Eisengießersohn.‹«
Mumm blinzelte.
»Vierzehn ieh ieh ieh?«
»So steht es hier«, bestätigte Wonse.
»Was bedeutet das?«
»Ich habe keine blasse Ahnung«, erwiderte Wonse trocken. »Und dann der Name – Karotte?«
»Das ist doch verrückt!« entfuhr es Mumm. »Es hat doch überhaupt keinen Sinn, Mitglieder der Diebesgilde zu verhaften. Ich meine, wir hätten rund um die Uhr zu tun.«
»Jener Mann namens Karotte ist offenbar anderer Ansicht.«
Der Hauptmann schüttelte den Kopf – und zuckte zusammen. »Karotte? Nie gehört.« Mumms verwirrter Tonfall überzeugte selbst Wonse, der erstaunt die Brauen hob.
»Er war ziemlich…« Der Sekretär zögerte. »Karotte, Karotte«, wiederholte er nachdenklich.
»Ich
habe diesen Namen schon einmal gehört. Besser gesagt: Ich habe ihn gelesen.« Er blickte ins Leere. »Der Freiwillige. Ja, genau! Erinnerst du dich?«
Mumm starrte ihn groß
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