Wachen! Wachen!
eine solche Art und Weise
gedemütigt
zu werden! Wie ein gemeiner Verbrecher! Ich verlange eine
offizielle
Entschuldigung. Andernfalls treten wir in den Streik. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, obgleich wir unsere Verantwortung als Bürger dieser Stadt sehr ernst nehmen«, fügte er hinzu.
Es dauerte einige Sekunden, bis von Puh begriff, daß er einen Fehler gemacht hatte: der Finger. Die hochgewachsene Gestalt vor ihm starrte darauf, und als der Gildenpräsident ihrem Blick folgte, ließ er die Hand rasch sinken. Wer einen anklagenden Zeigefinger auf den Patrizier richtete, mußte damit rechnen, bald nur noch bis neun zählen zu können.
»Und er war ganz allein?« fragte Lord Vetinari.
»Ja! Das heißt…« Von Puh zögerte.
Es klang seltsam, als er es jetzt laut aussprach.
»Aber du hattest doch Gesellschaft«, sagte der Patrizier ruhig. »Im Gebäude befanden sich mehr als hundert deiner Diebesfreunde, wenn du mir diesen Ausdruck gestattest.«
Von Puh öffnete und schloß den Mund mehrmals. Die ehrliche Antwort hätte eigentlich lauten müssen: ›Ja, und wenn jemand so frech wäre, uns im Gildenhaus herauszufordern, zögen wir ihm im wahrsten Sinne des Wortes das Fell über die Ohren. Aber der Kerl war so ungeheuer selbstbewußt, daß es niemand wagte, ihm eine Lektion zu erteilen. Hinzu kam, daß er immer wieder Leute in seiner Nähe schlug und sie aufforderte, sich zu bessern.‹
Der Patrizier nickte.
»Ich werde mich kurz darum kümmern«, sagte er. Lord Vetinari mochte diesen Satz, insbesondere das Wörtchen ›kurz‹ darin. Es sorgte immer dafür, daß seine Gesprächspartner zögerten und nachdenklich wurden. Sie wußten nicht, ob er sich
in
oder
für
kurze Zeit um etwas kümmern wollte, und niemand von ihnen wagte es, danach zu fragen.
Von Puh wich zurück.
»Eine offizielle Entschuldigung«, betonte er noch einmal. »Um meinen Ruf zu wahren.«
»Danke«, erwiderte der Patrizier. »Ich möchte dich nicht aufhalten und in Gewahrsam nehmen.« Einmal mehr verwandelte er die Sprache in ein ganz persönliches Werkzeug, das sich bestens eignete, um auf subtile Weise zu drohen.
»Na schön, in Ordnung, gut, danke«, sagte der Dieb.
»Bestimmt hast du noch viel zu tun«, fügte Lord Vetinari hinzu.
»Oh, äh, ja, natürlich.« Von Puh zögerte. In der letzten Bemerkung des Patriziers verbargen sich Widerhaken. Der Gildenpräsident hielt mit wachsendem Unbehagen nach ihnen Ausschau.
»Äh«, sagte er und hoffte auf einen Hinweis.
»Ich meine, derzeit seid ihr ziemlich beschäftigt, nicht wahr?«
Panik kroch ins Gesicht des Diebs. Vage Schuld strömte ihm ins Bewußtsein. Es ging nicht darum, was er getan hatte. Die Frage lautete vielmehr:
Was hat der Patrizier herausgefunden?
Lord Vetinaris Spione befanden sich praktisch überall, und einige von ihnen schienen sich nun hinter seiner Stirn versammelt zu haben, starrten spöttisch und
wissend
aus den eisblauen Augen.
»Ich, äh, kann dir nicht ganz folgen…«, begann von Puh.
»Es sind einige sehr seltsame Dinge verschwunden.« Der Patrizier griff nach einer Liste. »Zum Beispiel eine Kristallkugel, die einer Wahrsagerin in der Glatten Gasse gehörte. Ein kleines Altarornament aus dem Tempel des Krokodilgottes Offler. Und so weiter. Lappalien.«
»Ich weiß beim besten Willen nicht…«, murmelte der Oberste Dieb. Lord Vetinari beugte sich vor.
»Es handelt sich doch nicht etwa um
unbefugtes
Stehlen, oder?« fragte er. 7
»Ich kümmere mich höchstpersönlich darum«, brachte der Gildenpräsident hervor. »Du kannst dich auf mich verlassen!«
Der Patrizier lächelte süffisant. »Da bin ich völlig sicher«, entgegnete er. »Danke für deinen Besuch. Du darfst dich beeilen, jetzt zu gehen.«
Von Puh hastete nach draußen. So war es immer mit dem Patrizier, dachte er bitter. Man kam mit einer durch und durch berechtigten Beschwerde, doch kurze Zeit später stellte man fest, daß man sich immer wieder verbeugte, zur Tür schielte und nur noch den Wunsch verspürte, das Audienzzimmer so schnell wie möglich zu verlassen. Das mußte man Lord Vetinari lassen, gestand von Puh widerstrebend ein. Wenn nicht, schickte er Männer und nahm es sich.
Als der Patrizier wieder allein war, läutete er eine kleine Bronzeglocke und bestellte damit den Sekretär zu sich. Der Name des Mannes lautete – trotz seiner Handschrift – Lupin Wonse. Er traf wenige Sekunden später ein und hielt den Federkiel bereit.
Man konnte Lupin Wonse auf folgende Art
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