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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Traditionalisten, und es gibt nichts Traditionelleres als einen König. Aber sie legten auch großen Wert darauf, daß alles in Ordnung war, und von einem solchen Zustand konnte man derzeit nicht sprechen. Besser gesagt: Alles war
zu sehr
in Ordnung, und diese Beschreibung traf nur selten – praktisch nie – auf Phänomene wie Wahrheit und Realität zu. Thronerben längst vergangener Königreiche wuchsen nicht einfach an Bäumen; in dieser Hinsicht wußte der Bibliothekar Bescheid.
    Außerdem suchte niemand nach dem gestohlenen Buch. Manchmal setzten Menschen seltsame Prioritäten…
    Das Buch spielte bei dieser Sache eine zentrale Rolle. Er war ganz sicher. Nun, es gab eine Möglichkeit herauszufinden, was in dem Buch stand. Eine gefährliche Möglichkeit, ja, aber mit solchen Dingen kannte sich der Bibliothekar aus. Schließlich verbrachte er viele Stunden täglich in einer magischen Bibliothek.
    Im Schweigen der schlafenden Bücher öffnete er seinen Schreibtisch, griff in ein entlegenes Fach und holte eine kleine Laterne hervor. Ihr Konstrukteur hatte sorgfältig darauf geachtet, daß die Flamme im Innern eingesperrt blieb. Wenn die Umgebung überwiegend aus außerordentlich trockenem Papier bestand, konnte man nicht vorsichtig genug sein…
    Der Bibliothekar nahm auch eine Tüte mit Erdnüssen, zögerte kurz und fügte seiner Ausrüstung einen Schnurballen hinzu. Ein Teil davon biß er ab und benutzte ihn, um sich die Dienstmarke als eine Art Talisman um den Hals zu hängen. Dann befestigte er das eine Ende der Schnur am Schreibtisch, dachte einige Sekunden lang nach und wankte durch den Gang zwischen den Regalen. Ein Faden blieb hinter ihm zurück.
    Wissen
gleich Macht…
    Der Faden war wichtig. Nach einer Weile verharrte der Bibliothekar und konzentrierte die ganze Kraft des Bibliothekswesens.
    Macht gleich Energie…
    Manchmal erwiesen sich Menschen als erstaunlich dumm. Sie hielten die Bibliothek aufgrund der magischen Bücher für einen gefährlichen Ort, was durchaus stimmte, aber die gefährlichste Gefahr basierte auf der schlichten Tatsache, daß es sich um eine Bibliothek handelte.
    Energie gleich Materie…
    Er erreichte einen anderen Gang, der nach wenigen Metern zu enden schien. Dort marschierte er etwa eine halbe Stunde lang.
    Materie gleich Masse.
    Und Masse krümmt den Raum. Sie krümmt ihn zum vielfach gekrümmten L-Raum.
    Nun, die bibliothekarische Dezimalklassifikation hat durchaus ihre Vorteile, aber wenn man etwas in den multidimensionalen Falten des L-Raums sucht, so benötigt man in erster Linie einen Schnurballen.

    J etzt gab sich der Regen wirklich Mühe. Er glänzte auf dem Kopfsteinpflaster des Platzes der Gebrochenen Monde, spritzte hier und dort über zerrissene Fähnchen, Wimpel, zerbrochene Flaschen und halb verdaute Abendessen hinweg. Es herrschte nach wie vor kein Mangel an Donnergrollen, und in der feuchten Luft hing ein grüner frischer Geruch. An einigen Stellen schwebten Dunstfetzen, die sich vom Ankh hierher verirrt hatten. Es dauerte nicht mehr lange bis zum Morgengrauen.
    Mumms Schritte hallten naß von den Mauern der nahen Häuser wider, als er über den Platz wanderte. Der Junge hatte
hier
gestanden.
    Er spähte durch die faserigen Nebelschwaden und versuchte, sich zu orientieren. Der Drache hatte – er trat vor –
hier
geschwebt.
    »Und dort starb er«, sagte Mumm.
    Er kramte in den Taschen. Sie enthielten diverse Dinge: Schlüssel, einige Schnüre, Korken. Schließlich ertasteten die Finger einen Kreidestift.
    Er ging in die Hocke. Errol sprang ihm von der Schulter und watschelte fort, um den Müll des Festes zu inspizieren. Er schnüffelte immer, bevor er etwas fraß, stellte Mumm fest. Eigentlich seltsam, warum er sich damit aufhielt – letztendlich verschwand alles im Magen des Sumpfdrachen. Beziehungsweise in den
Mägen.
    Nun, der Kopf ist etwa – mal sehen –
hier
gewesen.
    Der Hauptmann trat zurück, zog den Kreidestift über die Kopfsteine und bewegte sich wie jemand, der versuchte, in einem komplexen Labyrinth nicht die Übersicht zu verlieren. Hier eine Schwinge, zu einem Schwanz gewölbt, der sich
dort
erstreckte, gut, jetzt der andere Flügel…
    Als Mumm fertig war, blieb er im Zentrum des gemalten Umrisses stehen und strich mit den Fingerkuppen über die Steine. Er rechnete fast damit, daß sie warm waren.
    Eigentlich sollte sich hier irgend etwas entdecken lassen. Vielleicht ein wenig, nun, Schleim oder, oder verschmorte Schuppen.
    Errol verspeiste

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