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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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auf eine Art und Weise Luft holte, die Mumm bereits kannte…
    Aber er spuckte kein Feuer. Das hatte nicht nur Mumm überrascht, sondern auch das Publikum – und erst recht den Drachen, der auf sein eigenes Maul herabschielte, die Klauen hob und nach den Flammenkanälen tastete. Er blieb auch überrascht, als sich die winzige Gestalt vor ihm unter einer Tatze hinwegduckte und das glitzernde Schwert in den Schuppenleib stieß.
    Ein lautes Krachen.
    Aber die allgemeinen Erwartungen erfüllten sich nicht. Als sich der Rauch lichtete, lagen nirgends blutige – oder verkohlte – Fetzen.
    Mumm zog einen Zettel heran und blickte auf die Notizen vom vergangenen Tag.
     
    Punkt Ains: Der Drachen isset schwer, aber er kannet trotzdem richtig fliegen.
    Punkt Zwai: Das Feuer isset sehr heiß, aber es stammet doch von einem lebendigen Wesen.
    Punkt Drai: Die Sumpfdrachen sind mitlaiderweckende Geschöpfe, doch dieses Ungetüm isset sehr mächtig und beaindruckend.
    Punkt Vier: Niemand wisset, woher es kommet, wohin es verschwindigt und wo es die Zeit dazwischen verbringet.
     
    Der Hauptmann nahm Federkiel und Tinte, zögerte kurz und schrieb:
     
    Punkt Fünf: Warum wählete er saine Ziehle so sorgfältig?
    Punkt Sechs: Kann ein Drachen so zerstöret werden, das er ins Nichts verschwindet?
     
    Mumm überlegte eine Zeitlang und fügte hinzu:
     
    Punkt Sieben: Er isset explodiert, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassigen. Seltsam.
     
    Das war wirklich ein Rätsel. Lady Käsedick wies darauf hin, daß von einem explodierenden Sumpfdrachen überall Drachenfetzen übrigblieben. In diesem besonderen Fall handelte es sich um ein ziemlich großes Exemplar. Zugegeben, sein Inneres kam sicher einem alchimistischen Alptraum gleich, aber die Bürger von Ankh-Morpork hätten eigentlich trotzdem den Rest der Nacht damit verbringen müssen, Drachenteile von den Straßen zu schaufeln. Niemand schien sich Gedanken darüber zu machen. Nun, der purpurne Rauch war beeindruckend gewesen.
    Errol verschluckte die letzten Kohlen und nahm sich den Schürhaken vor. Bisher hatte er an diesem Abend drei Kopfsteine, einen Türknauf, etwas Undefinierbares aus dem Rinnstein und, zur allgemeinen Überraschung, drei von Treibe-mich-selbst-in-den-Ruins Würstchen gefressen, die angeblich aus echtem rosaroten Schweinefleisch bestanden. Das Knacken und Knirschen des Schürhakens, der nun die Reise zum ersten Magen begann, vermischten sich mit dem Prasseln der Regentropfen am Fenster.
    Mumm sah erneut auf den Zettel und schrieb:
     
    Punkt Acht: Können Könige aus dem Nichts kommigen?
     
    Er hatte den jungen Mann nur kurz aus der Nähe gesehen. Er wirkte recht sympathisch, wenn auch nicht sonderlich intelligent, und es fiel einem leicht, sich sein Profil auf Münzen vorzustellen. Obwohl das eigentlich überhaupt keine Rolle spielte – nach seinem Sieg über den Drachen hätte er auch ein schielender Kobold sein können. Das Publikum trug ihn im Triumphzug zum Palast des Patriziers.
    Lord Vetinari hockte nun in seinem eigenen Kerker. Wie es hieß, hatte er überhaupt keinen Widerstand geleistet und nur gelächelt, als man ihn abführte.
    Welch ein glücklicher Zufall für die Stadt, daß genau zum richtigen Zeitpunkt ein König erschien, um den Drachen zu töten!
    Mumm drehte diesen Gedanken hin und her, betrachtete ihn aufmerksam von allen Seiten, bevor er erneut nach dem Federkiel griff und schrieb:
     
    Punkt Neun: Es isset doch wirklich ain glücklicher Zufall, daß der Bursche Gelegenheit bekam, ainen Drachen zu töten. Wie hättige er sonst bewaisen können, das Zoig zum König zu haben?
     
    Ein Drache als Trophäe – zugegeben, das war weitaus besser als irgendwelche Muttermale und Schwerter.
    Mumm spielte eine Zeitlang mit dem Federkiel und kritzelte dann:
     
    Punkt Zehn: Der Drache waret kain mechanisches Ding, und gewiß haben Zauberer nicht die Macht, ain Ungeheuer mit solchigen Auß. Außmah. Von solchiger Größe zu beschwörigen.
    Punkt Elf: Verdammt und zugenäht, warum habet das Biest kain Feuer gespuckt?
    Punkt Zwölf: Woher kamet es?
    Punkt Dreizehn: Wohin verschwand es?
     
    Der Regen prasselte lauter ans Fenster. Die Geräusche des Festes wurden dumpf und feucht, verklangen schließlich. Donner grollte in der Ferne.
    Mumm unterstrich das Wort ›verschwand‹ mehrmals, überlegte und fügte ein ausdrucksstarkes ›??‹ hinzu.
    Einige Sekunden lang beobachtete er den Effekt, und dann zerknüllte er den Zettel, warf ihn in den Kamin.

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