Wachen! Wachen!
Errol ließ sich den Leckerbissen nicht entgehen.
Ein Verbrechen. Sinne, von denen Mumm gar nicht wußte, daß er sie besaß – uralte Polizistensinne –, ließen ihn schaudern und wiesen auf ein Verbrechen hin. Vermutlich handelte es sich um ein so außergewöhnliches Verbrechen, daß es nicht einmal in Karottes Buch stand, aber es war trotzdem begangen worden. Mumm beschloß, es zu finden und ihm einen Namen zu geben.
Er stand auf, zog den ledernen Regenmantel vom Haken neben der Tür und trat in die nasse Stadt.
H ierher verschwanden die Drachen.
Sie liegen und…
Nein, sie sind nicht tot. Sie schlafen auch nicht. Von Warten kann ebenfalls keine Rede sein, denn wer wartet, erwartet etwas. Der angemessene Ausdruck lautet vermutlich…
… sind
zornig.
Ein Drache –
der
Drache – erinnerte sich an das Gefühl echter Luft unter den Schwingen, an die Euphorie der Flammen, an leere Himmelsgewölbe und eine interessante Welt darunter, eine Welt voller seltsamer Geschöpfe, die dauernd zu laufen und zu fliehen schienen.
Dort
hatte die Existenz eine andere und bessere Substanz.
Doch als er allmählich Gefallen daran fand, lähmte ihn irgend etwas, hinderte ihn daran, Feuer zu spucken, und schleuderte ihn zurück. Man gab ihm einen mentalen Tritt, wie einem räudigen Hundewesen.
Das Etwas nahm ihm die faszinierende Welt.
In den Reptiliensynapsen des Drachenbewußtseins wuchs die Hoffnung, daß er irgendwie zurückkehren konnte. Man hatte ihn gerufen und anschließend voller Verachtung fortgeschickt. Aber vielleicht gab es eine Spur, eine Fährte, einen Pfad, der bis zum Himmel reichte…
Vielleicht genügte der Weg der Erinnerung…
Er entsann sich an fremde Gedanken, an eine launische Stimme, erfüllt von Arroganz und Überheblichkeit. Das andere Ich ähnelte dem eines Drachen, war jedoch viel winziger und unbedeutender.
Aha.
Er breitete die Schwingen aus.
L ady Käsedick genehmigte sich eine Tasse Kakao und lauschte dem Regen, der draußen in den Abflußrinnen gurgelte.
Sie streifte die verhaßten Tanzschuhe ab, die – wie sie selbst zugeben mußte – zwei rosaroten Kanus glichen. Aber
Nobbleß Oblidsch,
wie der komische kleine Feldwebel sagen würde. Als letzte Repräsentantin einer der ältesten Familien von Ankh-Morpork hatte sie den Siegesball besuchen müssen, um guten Willen zu zeigen.
Lord Vetinari hatte nur selten Bälle veranstaltet. Seine Vorstellung von Vergnügen bestand darin, allein in einem Zimmer zu sitzen und die Berichte seiner Spione zu lesen. Doch jetzt hielt die Zukunft viele Bälle bereit.
Lady Käsedick konnte Bälle nicht ausstehen. Viel lieber mistete sie Drachenställe aus. Wenn man Drachenställe ausmistete, wußte man genau, woran man war. Dabei geriet man auf eine andere Art und Weise ins Schwitzen, und außerdem war es nicht nötig, seltsame Dinge an Spießen zu essen oder Kleider zu tragen, in denen man wie eine Wolke kleiner Engelchen aussah. Den Sumpfdrachen war das äußere Erscheinungsbild völlig gleich – wenn man nur mit einem Futternapf kam.
Seltsam. Lady Käsedick hatte immer angenommen, es dauere Wochen oder gar
Monate,
einen Ball vorzubereiten. Einladungen, Dekorationen, Würstchen, die an Stricken zwischen hohen Stangen hingen, sonderbare Hühner
dinge
, die in Pasteten untergebracht werden mußten… Aber alle diese Vorbereitungen fanden innerhalb weniger Stunden statt, als habe jemand mit einem solchen Ereignis gerechnet. Wahrscheinlich ein Wunder der Gastronomie. Ihre Ladyschaft hatte sogar mit jener Person getanzt, die sie in Ermangelung eines besseren Wortes als neuen König bezeichnete. Der Junge oder Bursche richtete einige höfliche Worte an sie, aber seine Stimme klang dabei recht dumpf und undeutlich.
Und morgen stand eine Krönung bevor. Obwohl man normalerweise Monate benötigte, um so etwas zu organisieren.
Lady Käsedick dachte noch immer darüber nach, als sie die einzelnen Ingredienzien für das Abendessen der Drachen mischte: Petroleum und Torf mit einer Prise Schwefel. Sie machte sich nicht die Mühe, das Ballkleid auszuziehen, band einfach eine dicke Schürze um, griff nach Handschuhen und Helm, klappte das Visier herunter und lief mit den Futtereimern durch den Regen.
Als sie die Tür des Schuppens öffnete, wußte sie sofort, daß etwas nicht stimmte. Normalerweise reagierten die kleinen Drachen auf eine bevorstehende Mahlzeit, indem sie heulten und kreischten und freudiges Feuer atmeten.
Diesmal hockten sie still in ihren
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