Wachen! Wachen!
als sich der Drache übers Kopfsteinpflaster schob.
»Ich
wußte,
daß er nicht tot ist«, knurrte Mumm. »Es fehlten – Spuren. Es ging alles zu glatt. Er wurde fortgeschickt, wahrscheinlich mit Hilfe von Magie. Sieh ihn dir nur an! So ein Geschöpf ist völlig unmöglich! Es braucht Zauberei, um am Leben zu bleiben!«
»Wie meinst du das?« fragte Lady Käsedick und behielt dabei weiterhin die Schuppenflanken im Auge.
»Alle physikalischen Gesetze verbieten die Existenz eines solchen Wesens«, antwortete Mumm. »Was so schwer ist, kann nicht fliegen oder derart heißes Feuer spucken. Ich hab’s dir doch schon gesagt.«
»Aber es sieht echt aus. Ich meine, von einem magischen Geschöpf erwartet man eine, äh, durchscheinende Gestalt.«
»Oh, der Drache ist echt, zweifellos«, entgegnete Mumm bitter. »Aber angenommen, er braucht Magie wie wir – Sonnenlicht. Oder Nahrungsmittel.«
»Du hältst ihn also für thaumivor, oder?«
»Ich glaube, er ernährt sich von Magie, das ist alles«, sagte Mumm, der keine klassische Bildung hatte. »Ich meine, alle die Sumpfdrachen, die dauernd vom Aussterben bedroht sind… Vielleicht haben einige von ihnen in prähistorischen Zeiten herausgefunden, wie man Magie benutzt.«
»Nun, damals fehlte es nicht an natürlicher magischer Kraft«, gestand Lady Käsedick nachdenklich ein.
»Na bitte. Immerhin hat sich das Leben auch in der Luft und im Meer ausgebreitet. Ich meine, wenn’s natürliche Ressourcen gibt, so werden sie früher oder später verwendet, stimmt’s? In diesem besonderen Fall spielen schlechte Verdauung, Gewicht und Flügelgröße keine Rolle mehr – die Magie gleicht alles aus. Donnerwetter!«
Aber man braucht eine Menge Magie,
dachte der Hauptmann. Er wußte nicht genau, wieviel Zauberei notwendig war, um die Welt so sehr zu verändern, daß sie das Fliegen eines viele Tonnen schweren Schuppenkörpers zuließ, aber bestimmt benötigte man
eine Menge.
Er erinnerte sich an die sonderbaren Diebstähle. Jemand hatte den Drachen gefüttert.
Mumm beobachtete den Gebäudekomplex der Unsichtbaren Universität, richtete den Blick auf die Bibliothek – die größte Ansammlung destillierter Magie auf der ganzen Scheibenwelt.
Jetzt hatte der Drache eine neuer Futterquelle gefunden.
Eine schreckliche Erkenntnis beanspruchte die Aufmerksamkeit des Hauptmanns: Er stellte plötzlich fest, daß Lady Käsedick nicht mehr neben ihm stand. Sie schritt dem Drachen entgegen, das Kinn wie ein Amboß vorgeschoben.
»Bei allen Göttern, was hast du vor?« flüsterte er laut.
»Wenn das Biest von Sumpfdrachen abstammt, kann
ich
es wahrscheinlich kontrollieren!« rief sie. »Man muß ihnen ins Auge sehen und mit strenger Stimme sprechen. Der strengen Stimme eines Menschen
müssen
sie gehorchen. Weißt du, sie haben nicht genug Willenskraft. Eigentlich sind es nur große starke Schwächlinge.«
Mumm spürte beschämt, daß seine Beine nichts von einem tollkühnen Vorsturm hielten, um Ihre Ladyschaft zurückzuholen. Der Stolz rümpfte die metaphorische Nase, aber der Körper gab zu bedenken, daß die Gefahr, eine dünne Rußschicht an der nächsten Wand zu bilden, nicht etwa den Stolz betraf. Mit verlegen glühenden Ohren hörte er, wie Lady Käsedick sagte: »Sei brav!«
Das Echo dieser strengen Aufforderung hallte über den Platz.
Mich trifft der Schlag!
dachte Mumm.
Ist so ein Verhalten nötig, um Drachen zu dressieren? Zeigt man auf die geschmolzene Stelle im Boden und droht damit, die Schnauze hineinzupressen?
Er riskierte es, über den Trog zu spähen.
Der Kopf des Drachen schwang wie ein Kranausleger herum. Es fiel dem Ungetüm schwer, den Blick auf die Frau zu richten, denn sie stand genau unter ihm. Mumm beobachtete, wie die großen roten Augen zu schmalen Schlitzen wurden, als der Drache an seinem riesigen Maul entlangschielte. Er wirkte verwirrt, und das überraschte Mumm nicht.
»Sitz!« donnerte Lady Käsedick in einem Tonfall, der absoluten Gehorsam verlangte. Der Hauptmann spürte, wie die Beine unter ihm nachgaben. »Guter Junge! Ich glaube, ich habe irgendwo ein Stück Kohle…« Sie klopfte auf ihre Taschen.
Blickkontakt. Darauf kam es an.
Sie hätte nicht nach unten sehen dürfen,
dachte Mumm.
Der Drache hob wie beiläufig eine Klaue und preßte Ihre Ladyschaft an den Boden.
Als Mumm entsetzt aufstand, riß sich Errol los und sprang mit einem weiten Satz über den Trog hinweg. Er hüpfte über den Platz, schlug immer wieder mit den kleinen
Weitere Kostenlose Bücher