Wachen! Wachen!
wesentlich kleineren Drachen in seinen Armen. Errols Magen knurrte bedrohlich. Der Hauptmann bedauerte es nun, nicht länger und gründlicher im Buch über Drachenkrankheiten gelesen zu haben. Deuteten solche Geräusche darauf hin, daß eine Explosion unmittelbar bevorstand, oder drohte die eigentliche Gefahr erst dann, wenn das Knurren nachließ?
»Wir müssen ihm folgen!« platzte es aus Lady Käsedick heraus. »Was ist mit der Kutsche passiert?«
Mumm zeigte in eine bestimme Richtung. Soweit er wußte, hatten die Pferde schon vor einer ganzen Weile die Flucht ergriffen; vielleicht galoppierten sie noch immer irgendwo durch die Stadt.
Errol nieste eine Wolke aus warmem Gas, die schlimmer stank als etwas, das man im Keller eingemauert hatte. Er wand sich einige Male hin und her, beleckte Mumms Gesicht mit einer Zunge, die sich wie eine Raspel anfühlte, sprang zu Boden und watschelte davon.
»Wohin will er?« dröhnte Lady Käsedicks Stimme. Mumm stellte fest, daß die Pferde nicht weit genug geflohen waren: Ihre Ladyschaft zog sie gerade aus dem Dunst. Die Rösser versuchten, Widerstand zu leisten, und ihre Hufe schlugen Funken von den Kopfsteinen, aber es bestand keine Aussicht, daß sie den Kampf gewannen.
»Er versucht noch immer, den Großen herauszufordern!« erwiderte Mumm. »Warum gibt er nicht auf?«
»Wenn Drachen kämpfen, geht es im wahrsten Sinne des Wortes heiß her«, erklärte Lady Käsedick, als Mumm in die Kutsche stieg. »Sie versuchen, den Gegner explodieren zu lassen.«
»Ich dachte immer, die Natur sorgt dafür, daß sich das besiegte Tier in einer Geste der Unterwerfung auf den Rücken rollt«, sagte Mumm, während die Kutsche übers Kopfsteinpflaster klapperte und Errol folgte. »Damit ist dann der Kampf beendet.«
»Bei Drachen funktioniert so was nicht«, antwortete Lady Käsedick. »Wenn sich irgendein blödes Wesen vor dir auf den Bauch rollt, so schlitz ihm den Bauch auf – das ist ihr Motto. In dieser Hinsicht denken sie fast wie Menschen.«
D ichte Wolken ballten sich über Ankh-Morpork zusammen. Darüber breitete sich das goldene Sonnenlicht der Scheibenwelt aus.
Der Drache funkelte in der Morgendämmerung und glitt froh dahin, flog aus reiner Freude enge und eigentlich unmögliche Schleifen. Dann fiel ihm etwas ein.
Einige Menschen waren so
unverschämt
gewesen, ihn zu beschwören…
Tief unten taumelte die Nachtwache durch die Straße der Geringen Götter. Trotz des dichten Nebels herrschte bereits rege Aktivität.
»Wie nennt man die Dinger?« fragte Feldwebel Colon. »Sehen aus wie schmale Treppen…«
»Leitern«, sagte Karotte.
»Es wimmelt hier davon«, brummte Nobby. Er schwankte zu einer davon und gab ihr einen Tritt.
»He!« Eine fahnenumhüllte Gestalt kletterte herab.
»Was ist hier los?« knurrte Nobby.
Der Fahnenträger musterte ihn von Kopf bis Fuß.
»Wer will das wissen, Knirps?« erwiderte er.
»Wir, wenn du nichts dagegen hast«, sagte Karotte freundlich. Er ragte wie ein Eisberg aus dem Dunst. Der Mann auf der Leiter lächelte schief.
»Nun, es geht um die Krönung und so«, erklärte er hastig. »Es muß alles für die Krönung vorbereitet werden. Fahnen und Wimpel und dergleichen. Die alten Banner, ihr wißt schon.«
Nobby betrachtete die bunten Tücher, und bittere Falten bildeten sich in seiner Stirn. »Sehen gar nicht so alt aus«, sagte er. »Sogar recht neu. Was sind das für dicke und aufgedunsene Dinger auf dem Wappenschild?«
»Die königlichen Nilpferde von Ankh«, verkündete der Mann stolz. »Sie erinnern an unser edles Erbe.«
»Seit wann haben wir ein edles Erbe?« fragte Nobby.
»Oh, seit gestern.«
»Ein edles Erbe kann unmöglich einen Tag alt sein«, warf Karotte ein. »Solche Sachen erfordern viel Zeit.«
»Wenn wir bisher keins hatten, so wird sich das bald ändern«, sagte Feldwebel Colon. »Meine Frau hat mir eine entsprechende Notiz hinterlassen. So viele Jahre, und plötzlich stellt sie sich als Monarchistin heraus.« Er trat nach dem Pflaster, als wären die Kopfsteine an allem schuld. »Ha! Dreißig Jahre lang rackert man sich ab, um Fleisch auf den Tisch zu bringen, aber sie faselt nur noch von einem Jungen, der für fünf Minuten Arbeit König wird. Wißt ihr, was ich gestern zum Tee bekam? Brötchen mit Bratensoße!«
Die erwartete Reaktion der beiden Junggesellen blieb aus.
»Potzblitz!« entfuhr es Nobby.
»Echte
Bratensoße?« erkundigte sich Karotte. »Mit knusprigen Stücken darin und glänzenden
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