Wachgeküßt
tiefsinnig«, antworte ich und kann nicht umhin, ihn anzugrinsen wie jemand, der gerade in einem Einkaufscenter von einem Geistesgestörten um eine Zigarette angeschnorrt wurde und jetzt nicht weiß, wie er damit umgehen soll.
Der DJ unterbricht die Funkmusik und legt die Village People auf.
»Whoah... cooler Song. Willste vielleicht tanzen?« Er wendet sich Emma zu.
Skid sieht nicht aus wie ein Typ, der zu YMCA tanzen würde. Aber einmal mehr merke ich – schließlich lerne ich recht schnell – daß man einen Skidmark nicht nach seinem Aussehen beurteilen sollte.
»Klar.« Emma stellt ihre Flasche weg.
»Kommst du, Al?« Augen und Haare drehen sich wieder zu mir.
Ich verbeiße mir Emmas Standardantwort auf diese doppeldeutige Frage, die da lautet: »Nein, das sieht nur so aus, weil ich gerade so stehe«, und schüttele den Kopf. »Ich glaub, bei dem Lied setze ich mal aus, danke.«
Skid hält Emma die Hand hin.
»Ich glaube, der könnte mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit Nummer eins auf meiner Liste werden«, flüstert sie, als er sie wegzieht.
»Bist du sicher? Ich weiß ja, daß du auf schräge Typen stehst, da braucht man sich nur Theo anzusehen, aber dieser Typ ist ein Fall für sich. Und ein bißchen nahe an zu Hause ist er auch, oder?«
»Theo und ich sehen uns nicht mehr. Also bin ich frei und kann tun und lassen, was ich will.«
»Und das bedeutet, daß du mit einem Kerl ins Bett gehst, der dauernd so aussieht, als ob er zu einer Verkleidungsparty will?«
»Ich hab dir doch schon gesagt, daß das Aussehen nicht so wichtig ist. Skid ist echt lustig, und Humor kann unglaublich sexy sein.«
Emma und er verschwinden in der Menge, die auf der Tanzfläche schon wild mit den Armen gestikuliert.
»Und dann war’s nur noch eine«, murmele ich vor mich hin und nehme einen tiefen Zug von meinem Budweiser.
Nach etwa dreißig Sekunden beschließe ich, daß es besser gewesen wäre, mit ihnen zu gehen. Ich mag es nicht, in so einem Club allein rumzustehen. Dann fühle ich mich so verletzlich. Wahrscheinlich sollte ich jetzt besser die Menge nach geeigneten Männern absuchen, schließlich handelt es sich hier ja um einen Wettkampf, und die beiden anderen gewinnen mir gegenüber an Vorsprung.
Ich bewege mich in Richtung Tanzfläche.
Alle grölen gleichzeitig »Young man« und reißen die Arme in die Höhe.
Ich beschließe, daß es an der Zeit ist, mal wieder die Toiletten aufzusuchen.
Als ich mit frisch nachgezogenen Lippen zurückkomme – zu viel mehr reicht es dank Rens hartherziger Beschränkung meiner Schminkutensilien ja nicht -, ist die Musik glücklicherweise wieder zu dem üblichen Mix aus Dance, Garage und Funk zurückgekehrt, mit dem ich vertraut bin. Ich hole mir noch was zu trinken und wende mich dann wieder der Tanzfläche zu, um nach Emma und Ren Ausschau zu halten.
Ein schräger Typ kreuzt vor mir auf, packt mich am Arm und versucht, mit mir zu tanzen.
»Verpiß dich!« blaffe ich.
Und das macht er dann auch.
Shit! tadele ich mich selbst. Schließlich wird von mir erwartet, daß ich jemanden aufreiße. Das war ein potentieller One-Night-Stand und ich habe ihn geradewegs abblitzen lassen, ohne überhaupt nachzudenken. Er war eigentlich ganz süß.
Es hilft nichts, spontan ist mir nun mal nicht danach, auszugehen und mir einen Mann zu angeln, sondern danach, ihnen allen mit einem großen Knüppel eins überzuziehen wie eine keusche Jungfrau.
Da kann ich auch gleich nach Hause gehen. Emma ist nirgends zu sehen, und als ich Serena schließlich entdecke, scheinen ihre Lippen auf denen von Nicky Taylor festzukleben. Siamesischen Zwillingen gleich kleben ihre Münder seit der letzten halben Stunde aneinander. Wie sie es schaffen, mit festgesaugten Lippen zu tanzen, weiß ich auch nicht. Aber sie kriegen es hin, es sieht sogar ziemlich souverän aus. Aber Serena kann auch wirklich gut tanzen. Sie gehört zu den Glücklichen, die es anscheinend schaffen, mit der Leichtigkeit eines gut geschmierten
Dödels, der ins Heiße, Warme und Feuchte flutscht, in den Rhythmus der Musik zu rutschen. Meiner Meinung nach hat sie definitiv ihre Nummer eins an der Angel. Die Art, wie sie ihre Körper aneinander reiben, läßt vermuten, daß Serena – wenn sie nicht noch vollständig angezogen wären – gerade mitten auf der Tanzfläche dabei ist, ihrer Liste einen Strich hinzuzufügen.
Ich sehe auf die Uhr. Es ist inzwischen ein Uhr früh. Ich wäre schön blöd, wenn ich bis drei Uhr hier rumhängen
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