Wachgeküßt
schlüpft in eines von Emmas wenigen Designeroutfits, ein kleines schwarzes Kleid – die Betonung liegt auf klein.
»Du siehst bezaubernd aus.« Ems seufzt neidvoll. »Wie kommt es bloß, daß das mein Kleid ist, ich aber nicht so gut darin aussehe?«
»Hab ich darin nicht einen fetten Hintern?« Ren späht ängstlich über ihre Schulter in den Spiegel und auf ihren winzigen, muskulösen Po. Insgesamt ist er gerade mal so groß wie eine meiner Pobacken.
Ich drehe mich um. »Du willst einen Hintern haben? Seit wann denn das?«
»Ich wollte immer einen ordentlichen Vorbau«, seufzt Emma, »statt dessen hab ich ein ordentliches Hinterteil bekommen. Als ich jünger war, habe ich mich an Gott gewandt und ihm gesagt: >Du hast doch von dieser Sache mit der Pubertät gehört, oder? Also, dann richte es so ein, daß ich wie Samantha Fox aussehe.<«
»Und dann?«
»Letztlich sah ich dann auch so aus wie Sam Fox – nur dummerweise wie eine seitenverkehrte Sam Fox, die Handstand macht!« Sie klatscht sich voller Verachtung auf den Po.
Ich lande schließlich wieder bei dem ersten Outfit, das ich schon vor über einer Stunde anprobiert hatte, Hüfthosen aus dunkelrotem Samt und einem passenden, rückenfreien Top. Sieht gut aus, aber ich darf nicht vergessen, den ganzen Abend über meinen Bauch einzuziehen, da er freiliegt.
Ein lautes Hupen vor dem Haus kündigt die Ankunft des Taxis an.
»Fertig?«
»Fertiger kann man nicht sein.« Ich atme tief ein. So wird nicht
nur mein Bauch flach, auch meine Brust hebt sich. Ich sollte wirklich öfter einatmen.
»Die Spiele können beginnen.« Emma streckt die Hand aus, Serena legt ihre in einer solidarischen Geste obendrauf, und beide bedeuten mir, das gleiche zu tun.
»Ich komme mir wie ein Ninja vor«, murmele ich verlegen.
»Quatsch, wir sind die drei Musketiere.«
»Ich bin Athos.«
»Ich bin Porthos.«
»Ich will aber kein verdammtes Aftershave sein!«
»Dann bist du halt d’Artagnan.«
»Genaugenommen war der aber gar kein Musketier.«
»Genaugenommen sind wir das auch nicht.«
»Halt einfach die Klappe und mach mit, ja?«
»’nabend, die Damen.« Der erstaunlich kleine Türsteher signalisiert uns durch das Heben eines schwarzen Bomberjacken-Ärmels und durch ein kokettes Zuzwinkern, in den Club einzutreten. Es ist fast Mitternacht. Wir haben eine ganze Reihe Kneipen und eine ganze Reihe Drinks hinter uns, aber jedesmal, wenn man wirklich den Mut eines Säufers braucht, bleibt man stocknüchtern, egal, wieviel Alk man in sich reinschüttet.
Wir betreten den riesigen, klimatisierten, verrauchten, von Lasern durchzuckten Hangar, der den Hauptteil des Clubs ausmacht. Der ganze Ort erinnert ein bißchen an einen Kraken mit besonders kurzen Beinstummeln. Da gibt es die Haupthalle, ein riesiges Areal mit einer Kuppel, in dem sich eine zweigeschossige Tanzfläche befindet, die schon jetzt gedrängt voll ist. Rundherum schließen sich kleine, separate Räumlichkeiten an, in denen Bars oder Chill-out-Räume untergebracht sind. Auf der anderen Seite der Tanzfläche führen Treppen zu einem Balkon hinauf, der das gesamte obere Geschoß der Kuppel umläuft. Man begibt sich nach oben, um zu sehen und gesehen zu werden. Die Leute hängen
über dem Geländer, relaxen, unterhalten sich, lachen, trinken Wasser aus Flaschen, sehen den Tänzern zu und halten nach einem passenden Partner Ausschau. Auch diejenigen begeben sich nach oben, die bereits eine Eroberung gemacht haben und jetzt ein dunkles, ungestörtes Eckchen suchen. Das ist ganz offenkundig auch unser erklärtes Ziel. Heute ist die Eröffnungsnacht unseres Wettbewerbs.
Ich steuere zielstrebig die nächstgelegene Bar an, wühle in meiner »Tasche« und winke mit einem Zwanziger in Richtung einiger Barkeeper, die über den nassen Boden hinter der Theke laufen.
Serena hat mich darüber aufgeklärt, daß man schlicht und einfach keine Handtaschen mehr mitnimmt in einen Club. Die Bemerkung, daß ich dann beim Tanzen nichts zum Festhalten hätte, wurde mit einem total entsetzten Blick quittiert, als ob ich das ernst meinen würde.
Selbst bei meinen frühesten Discobesuchen habe ich es wohl nie geschafft, traurig oder betrunken genug zu werden, um mich beim Tanzen an meiner Handtasche festhalten zu müssen, allerdings vermisse ich jetzt schmerzlich mein tragbares Notset für eventuelle Gesichtsreparaturen. Das Täschchen, mit dem Serena mich ausgestattet hat, könnte auf das Konto von Schauspieler Rick Moranis gehen:
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