Wachgeküßt
kichere, als die Perlen durch meine Kehle rinnen. Ich habe gar nicht bemerkt, wann es damit losging, aber jetzt hat Larry eine Hand in meinem Nacken liegen und reibt mit einem Daumen sanft über die empfindliche Haut, wobei er sein Bein fest gegen meines preßt.
»Weißt du«, ich lasse den Champagner noch einmal über meine Zunge perlen und lächele dann den Lüsternen Larry durch einen warmen Alkoholschleier selig an, »dieses Zeug muß verdammt gut sein... Ich fand immer, daß du ungefähr so attraktiv bist wie ein Stück Hundescheiße, aber jetzt...« Ich proste ihm mit dem Glas zu, »... ich würde mal sagen, jetzt, du Lüsterner Larry, du alter Schwerenöter, finde ich dich richtig sexy.«
Ich bin tot. Mir tut alles weh. Mein Kopf ist von einer Dampfwalze plattgedrückt worden. Irgend jemand hat meine Zunge am Gaumen festgeschweißt. Es muß kalt sein, denn mein Körper zittert wie ein verängstigter Windhund. Warum aber schwitze ich dann und bin so furchtbar erhitzt? Ich versuche, die Augen zu öffnen, doch über Nacht haben sich meine Wimpern in Reißverschlüsse verwandelt – in kaputte Reißverschlüsse, bei denen die kleinen Metallzähne fest ineinanderhaken. Ich weiß, was passieren wird. Sobald ich es geschafft habe, meine Augen mit Gewalt zu öffnen, werde ich eine nette Krankenschwester im gestärkten, blauen Kittel erblicken, die sich lächelnd über mich beugen und mir die fiebrige Stirn abwischen wird. Ich muß in einem Krankenhaus sein. Man kann sich nicht so schlecht fühlen und nicht in einem Krankenhaus sein.
Ich öffne die Augen. Keine Krankenschwester, kein Aspirin, nichts von alledem.
Ich schließe die Augen wieder. Das Bruchstück einer Erinnerung gleitet aus dem nebeligen Walddickicht, dem mein Gehirn im Moment gleicht, hüpft fröhlich über eine sonnenüberflutete
Lichtung und ruft mit kindlich trällernder Stimme: »Nachtclub, Nachtclub, Nachtclub«.
Ah, genau. Da war ich. Und wo bin ich jetzt? Ich versuche, die Augen wieder zu öffnen. Ich glaube fast, ich bin in diesem Club umgekippt. In meinem Kopf klingt noch das Dröhnen der Bässe nach, und zwei Discokugeln drehen sich da, wo einmal meine Augäpfel waren. Meine Augen drehen sich weiter, ich bin vom Licht geblendet, aber schließlich sehe ich klar genug, um zu erkennen, daß ich nicht mehr in dem Club bin. Ich befinde mich in einem großen Bett in einem mir gänzlich unbekannten Schlafzimmer. Hastig erfasse ich den ganzen Raum, während mein Körper sich versteift und reglos liegenbleibt. Zuerst registriere ich die verspiegelte Decke, dann ein Meer aus cremefarbenem Plüsch, dann die zerknitterten Laken, in die mein nackter Körper gehüllt ist.
Nackter Körper? Huch! Ich habe nichts an. Ich bin splitterfasernackt, ich liege in einem fremden Bett und plötzlich habe ich die grausige Erkenntnis, daß alles sogar noch schlimmer ist, denn neben mir befindet sich noch etwas im Bett.
Dieses »Etwas« liegt fest schlafend neben mir, schnarcht leise mit offenem Mund, und das durch die Jalousien einfallende Sonnenlicht hebt die Falten auf diesem Gesicht, das Ende Vierzig oder so ist, hervor.
Ich liege mit Larry in einem Bett.
Gerade so kann ich den Schrei unterdrücken, der in meiner Kehle aufsteigt wie bei einem Lemming, der dem Selbstmord entgegengeht.
Gütiger Himmel! Was habe ich bloß angestellt?
Trotz der Tatsache, daß ich vergessen habe, wie man seinen eigenen Körper bewegt, habe ich noch den Reflex, aus diesem Bett zu entkommen. So schnell habe ich mich noch nie in meinem Leben bewegt.
Meine Klamotten führen in einer Spur vom Bett weg und aus
dem Zimmer heraus. Ich stolpere aus dem Bett und folge dieser Spur bis in ein großes Wohnzimmer, wobei ich einen umgekehrten Striptease hinlege. Auf diese Weise arbeite ich mich bis zu einem großen, beigen Sofa aus Veloursleder vor, wo mir dann nur noch ein Strumpf und die Schuhe fehlen. Die stehen unter einem gläsernen Couchtisch im Art-Deco-Stil, auf dem sich meine Minitasche, zwei Gläser, eine angebrochene Flasche Pouilly Fuisse und ein angebissener Hamburger befinden. Der Strumpf hängt über einer Aphrodite, die auf einem Tischchen in einer Ecke des Zimmers steht, so als ob er im Eifer des Gefechts ausgezogen und achtlos beiseite geworfen worden wäre.
Als ich wieder von Kopf bis Fuß bekleidet bin, ist mein einziger Wunsch der, so schnell wie möglich von hier wegzukommen, bevor dieses Dorndistelchen erwacht.
Ich würde mir ja ein Taxi rufen, aber ich weiß noch
Weitere Kostenlose Bücher