Wachgeküßt
immer noch im Rhythmus der Musik,
als sie sich wie eine Schlange zu den Tönen eines Schlangenbeschwörers windet.
»Gilt das überhaupt, wenn man jemanden aufreißt, den man schon kennt? Dadurch hat sie schon einen Vorsprung«, jammere ich, während ich zusehe, wie sie auf Beutefang geht.
»Na ja, wir haben nicht festgelegt, daß niemand dabeisein darf, den wir vorher schon kannten.« Emma zuckt mit den Schultern.
»Ganz schön offene Regeln, oder?«
»So offen wie Serenas Beine.« Emma deutet dorthin, wo Serena nach Zielerfassung und Kontaktaufnahme mit dem feschen Nicky bereits richtig intim zu werden scheint.
»Hast du noch nichts gefunden, was dir gefällt?«
»Meine Güte, das klingt ja gerade so, als ob wir vorm Süßigkeitenregal stehen oder so was!«
»Tun wir doch auch.« Emma grinst breit.
»Bisher hab ich nur ein paar ziemlich verschimmelte Stücke gesehen, so wie das letzte, angegammelte Gebäckstück, das niemand mehr will.«
»Himmel, Lex, du suchst doch auch niemanden für eine dauerhafte Beziehung. Du mußt nicht jeden Morgen neben ihm aufwachen, seine Socken waschen oder ihn deinen Eltern vorstellen.«
»Nein«, gebe ich widerstrebend zu. »Wahrscheinlich hast du recht.«
»Also dann...«
»Dann nichts. Warum sollte ich meine Ansprüche herunterschrauben?«
»Weil bei deinen Ansprüchen nicht mal Jonny Depp ’ne Chance hätte.«
»O, der könnte Gnade finden vor meinen Augen... gerade so.«
»Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich brauche jetzt irgendwas Eisgekühltes.« Sie fächelt sich mit der Hand Luft zu und verläßt dann die Tanzfläche.
Wir kämpfen uns Richtung Bar.
»Hej, Ems.«
Eine Hand taucht aus der Menge auf und greift nach ihrer Schulter. Der Hand folgt ein Etwas, das ich für einen Mann halte. Wohl bemerkt >halte< ich es dafür, denn genau läßt sich das nur schwer sagen. Das Etwas und Emma umarmen sich wie alte Freunde.
»Hab dich ja echt ’ne Ewigkeit nich’ gesehen, Mann«, kommt es mit schleppender, krächzender Stimme. »Wie geht’s’n?«
»Alles bestens. Das Leben vergeht wie im Flug...«
Emma stellt mich vor.
»Alex, das ist Skidmark.«
Das Etwas hält mir die Hand hin, und ich ergreife sie versuchsweise. Er muß Maurer oder so was sein, er schüttelt nämlich meine Hand nicht, sondern übt nur mit dem Daumen irgendeinen seltsamen Druck auf meine Handfläche aus, während sein kleiner Finger auf meinen Knöcheln Foxtrott tanzt.
»Freut mich, dich kennenzulernen... äh...«
»Nenn mich einfach Skid, Mann«, sagt er schleppend und läßt schließlich meine Hand doch noch los.
»Skid ist ein Kumpel von Theo«, sagt Emma.
Das hätte ich mir denken können. Theo kennt einfach keine normalen Menschen. Skid erinnert mich an einen Muppet. Er hat schulterlanges, wirres Haar mit blauen, blonden und knallroten Strähnen, unter dem zwei durchdringende, eisblaue Augen sitzen, aus denen er mich völlig stoned ansieht, wie ein wildes Tier, das sich in seinem Unterschlupf versteckt. Sein Outfit scheint aus plattgedrückten, recycelten Eierschachteln zu bestehen, und zwar jene blaßblaue Sorte aus einem Synthetikkram, der quietscht, wenn man versucht, ihn zu verbiegen. Ich bin schockiert, als er sich Richtung Bar wendet und ich undeutlich das eindeutig teure Designerlabel entdecke, das auf dem Rücken des passenden Shirts angebracht ist. Noch überraschter bin ich, als er einen
Packen Geldscheine von der Größe einer Klopapierrolle aus der Tasche zieht und unsere Drinks bezahlt.
»Ist der etwa ein Dealer oder so was in der Art?« frage ich und beobachte mit offenem Mund, wie er einen Zwanziger aus dem Bündel herauszieht.
»Wer wird sich denn gleich so vorwurfsvoll anhören, Lex? Nur, weil er ein bißchen seltsam aussieht, heißt das noch lange nicht, daß er mit Koks dealt. Wenn du es genau wissen willst: Er ist selbständig.«
»Und was macht er? Orgien veranstalten? Organisiertes Verbrechen?«
»Er baut Möbel, sehr schöne Möbel sogar. Hauptsächlich Reproduktionen. Für einige seiner Stücke hat er eine Warteliste von zwei Jahren.«
Skid schnappt das Ende dieser Unterhaltung auf.
»Ich arbeite gerne mit meinen Händen, Mann.« Er fixiert mich mit seinen blaßblauen Augen. und läßt dann den Blick wieder abschweifen. »Ich weiß, jeder denkt, daß Holz irgendwie... tot und starr ist... aber das stimmt nicht. Es ist weich, wie Samt. Wenn man es liebt, kann man es formen, und wenn man ruhig genug ist, kann man es atmen hören.«
»Hm... wie
Weitere Kostenlose Bücher