Wachgeküßt
dannen. Sandra aber faltet weiter Servietten in der Form von Wasserlilien für das kalte Büfett und versucht gleichzeitig, den sabbernden Rupert Murdoch, den fetten, flauschigen, verwöhnten Bürokater, von einer Platte mit Thunfisch-Gurken-Sandwiches fernzuhalten, die unter den heißen Bürolampen schon völlig durchgeweicht sind.
Das kalte Büfett sieht ganz schön armselig aus.
Man hatte uns alle gebeten, etwas mitzubringen – etwas beizusteuern, wie Sandra es ausgedrückt hatte. Über allem thront stolz eine große Schokoladencremetorte, die Rodneys geplagte
Ehefrau Margaret extra gebacken hat. Unglücklicherweise sieht sie als einziges halbwegs genießbar aus. Drum herum häufen sich die eigenartigsten Dinge. Sie erinnern irgendwie an untertänige Diener, die sich vor dem höheren Rang verneigen: Würstchen in einem Mantel aus zementartigem Teig – Jennys Beitrag, zarte, bunte Sahneschnitten mit kandierten Früchten, die unter der kundigen Hand unseres Botenjungen, Lovely Lucian, entstanden sind, der tagsüber in Radlerhosen durch das ganze Gebäude wuselt und dabei Post und Ratschläge verteilt, sich jedoch nachts in eine hemmungslose Dancing Queen verwandelt, und schließlich die äußerst suspekt aussehenden Krabbenplätzchen, die Glenda mit stolzgeschwellter Brust beigesteuert hat. Lionel, der vegetarische Gesundheitsfreak in unserer Runde, der die Fitneßseite betreut und ein besonders aktiver Gewerkschaftler ist, hat irgend etwas aus Tofu angeschleppt. Fragt mich nicht, was das ist. Es sieht scheußlich aus, wie etwas, das man in einer geschlossenen Plastikdose beim jährlichen Entrümpeln des Kühlschranks in der hintersten Ecke findet, oder so wie ich am Morgen nach einer Nacht aussehe, die ganz besonders lang war – bleich, eingefallen und verschwitzt.
Ich habe geschummelt und ein Fertiggericht besorgt – ich habe einfach auf dem Weg hierher in der Lebensmittelabteilung von Marks & Spencer eine Quiche gekauft.
Es stellt sich heraus, daß die meisten anderen die gleiche Idee hatten.
Auf den Schreibtischen, die für das Büfett zusammengeschoben wurden, stapeln sich inzwischen zwölf solcher Quiches. Komischerweise sind sie alle mit Käse und Tomaten gemacht.
Alle sehen etwas bedrückt aus.
Nur Mary ist völlig aus dem Häuschen.
»Das ist mein Thema für die nächste Ausgabe.« Sie strahlt mich an. »Die Quicheküche. Die zehn besten Quicherezepte bei Sunday Best im Geschmackstest.«
Rodney kommt gegen Mittag und wird von einer Reihe klatschender, jubelnder Kollegen in Empfang genommen.
Er wird mehr oder weniger genötigt, sich auf einen Drehstuhl mit Rollen zu setzen, der mit aufgeblasenen, leuchtenden Kondomen dekoriert ist. Dann wird er mit Höchstgeschwindigkeit durchs Büro gerollt, und alle singen im Chor »For he’s a Jolly Good Fellow«. Wir singen zwar furchtbar falsch, dafür aber um so lauter und mit grenzenloser Begeisterung.
Als er schließlich wieder zum Stillstand gekommen ist, erhebt Rodney sich leicht schwankend, zieht die Brille ab und wischt sich mit einem fleckigen Taschentuch, das lässig in der obersten Tasche seines Jacketts gesteckt hat, über die verschwitzten Schläfen. Mit demselben Taschentuch reibt er sich auch über die Augen, um anschließend geräuschvoll seine rote Nase darin zu putzen, bevor er es wieder in besagte Tasche stopft.
»Eine Rede! Eine Rede! Eine Rede!«
»Sollten wir nicht erst die Geschenke überreichen?« wirft Sandra ein, die mit einer als Geschenk verpackten elektrischen Gartenfräse und der obligatorischen Kaminuhr herbeieilt, für die wir alle zusammengelegt haben. Unter jedem ihrer muskulösen Arme trägt sie ein Päckchen.
Wir können die Jungs davon überzeugen, die Festlichkeiten aufzuschieben, bis die hohen Tiere aus dem obersten Stockwerk herunterkommen. Die »Penthousesuite«, wie wir sie nennen, beherbergt all jene, denen man zu gehorchen hat: den Herausgeber, seine Günstlinge und die Geldgeber.
Schlag fünf Uhr treffen sie ein, eine Ansammlung dunkler Anzüge. Man könnte fast meinen, gleich kommen Männer mit dunklen Sonnenbrillen und Kopfhörern, um das Gebäude abzusichern, bevor sie eintreten.
Mir sinkt das Herz in die Chanelhose aus dem Schlußverkauf, als ich Larry hinter der Gruppe lauern sehe. Ich versuche, ihm möglichst unauffällig aus dem Weg zu gehen, lungere zwischen
den Würstchen im Mantel rum und verstecke mich hinter der Schokoladentorte, die so groß ist wie die königliche Yacht Queen Mary auf dem
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