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Wachkoma

Wachkoma

Titel: Wachkoma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin P. Meranius
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nicht das Aufgeben des Kampfes.“
    Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach (1830-1916)
    Doch das würde erst einmal warten müssen, denn in den nächsten Tagen war Beata nicht einmal ansatzweise nach Grußkartenschreiben zumute.
    Sie machte eine Pause, entzog sich dem wirren Geschehen um sie herum, versuchte, ihre Mutter zu erreichen, sprach mehrfach auf ihren Anrufbeantworter und hinterließ schwer verzeihliche Nachrichten. Und erhielt keinen Rückruf. Auch nicht von ihrem Chef.
    Ein fehlgeschlagener Versuch, Kontakt zur Normalität aufzunehmen. Denn dieses Anwesen war weit weg davon. Es hatte bereits ihr komplettes Leben auf den Prüfstand gestellt.
    Nicht nur, dass sie sich tagelang mit dem Gedanken tragen musste, wer diese Dürre war, jetzt musste sie sich auch noch fragen, wer sie selbst war.
    War sie tatsächlich jemand, der seine persönliche Herkunft, die Heimat vergessen hatte, dass nicht einmal mehr einer ans Telefon ging, wenn sie anrief?
    Zumindest spürte Beata, dass sie sich in den letzten Jahren in eine Sackgasse begeben hatte, in der es bislang irgendwie nur geradeaus ging. In Richtung Karriere. Ohne jemals einzubiegen oder am Leben richtig teilzunehmen. Als würde sie schlafen. Und sie hatte es nicht einmal bemerkt.
    Beata lag auf ihrem Bett. Das war seit ein paar Tagen schon ihr liebster Platz.
    Ihre Beine baumelten über den Matratzenrand und sie fand keine Antwort auf die vielen Fragen in ihrem Kopf.
    Wie auch?
    Sie war zugegebenermaßen ungeschickt darin, über ihr eigenes Leben nachzudenken.
    Weshalb auch? Es gab nie einen Anlass, bevor sie hierhergekommen war.
    Das alles bereitete ihr fürchterliche Kopfschmerzen. Was hätte sie nur für eine einzige Tablette gegeben.
    Als es an der Tür klopfte, glaubte sie zuerst, es sei das Hämmern in ihrem Kopf, setzte sich dann jedoch langsam auf und lief zur Tür hinüber.
    Es war Silvester.
    Ohne ihn zu begrüßen, bat sie ihn mit einer schlichten Geste herein. Nettigkeiten sparte sie sich.
    Als akzeptiere Silvester das auch, trat er ebenso wortlos ein und setzte sich zu ihr an die Bettkante.
    Er hatte ihr einen frischen Tee mitgebracht und stellte ihn vorsichtig auf dem Nachttisch ab.
    „Beata, es ist in Ordnung, wenn Sie erst einmal eine kleine Auszeit nehmen. Nur sollten Sie nicht die ganze Zeit alleine sein.“
    Er legte seine Hand einfühlsam auf ihre. Und Beata genoss es irgendwie sogar. Sie genoss, dass ihr jemand die Hand reichte.
    „Was halten Sie von einem kleinen Spaziergang? Wir könnten doch eine kleine Runde zusammen laufen?“, schlug Silvester schließlich vor.
    „Vielleicht keine schlechte Idee. Etwas frische Luft wird meinem müden Geist sicherlich gut tun“, antwortete sie, als habe sie die letzten Tage nur auf einen kleinen Schubser gewartet.
    Sie zog ihre Hand unter seiner hervor, strich sich zwei Haarsträhnen aus dem Gesicht und sagte schließlich: „Ja, wir sollten laufen. Ich ziehe mir nur schnell etwas anderes an.“
    Sie verschwand im Bad.
    Trotz allem wollte sie wenigstens gepflegt aussehen.
    Die Badezimmertür stand einen Spalt offen.
    Beata konnte Silvester durch den Spiegel sehen, in dem sich ihre Blicke für einen kurzen, aber doch intensiven Moment trafen.
    ***

Hinter dem Haus angekommen, lud Silvester sie durch eine nette Geste dazu ein, sich bei ihr einzuhaken.
    Sie liefen eine ganze Weile so, ohne viel zu sprechen.
    Beata spürte, dass er ihr überließ, wann und wie viel sie sagen würde; ihr anbot, ungezwungen in Gesellschaft zu sein. Ohne Verpflichtungen.
    Das Wetter war gut, auch wenn es kälter war als die Tage zuvor und die Sonne nur ab und an zwischen den Wolken hervorblitzte.
    „Bei wem haken Sie sich sonst für gewöhnlich ein, Beata?“, eröffnete Silvester dann das Gespräch.
    „Einhaken? Ich? Fragen Sie mich lieber, wer sich bei mir einhakt“, antwortete sie kurz.
    „Das hatte ich mir fast gedacht“, sagte er und packte sie etwas fester am Arm, als wollte er nachholen, was lange niemand mehr getan hatte.
    An der Hollywoodschaukel angekommen, setzten sie sich für einen Moment. Silvester wusste, dass das ihr Lieblingsplatz war.
    Jetzt merkte Beata erst richtig, wie kalt es eigentlich war.
    Der Wind wehte stark und die eisige Luft roch bereits nach dem ersten Schnee.
    „Wie fühlen Sie sich?“, startete Silvester nach einer Weile einen neuen Versuch, mit ihr ins Gespräch zu kommen.
    „Durchwachsen trifft es ganz gut, denke ich“, antwortete Beata, als spreche sie über das Wetter, und strich

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