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Wachkoma

Wachkoma

Titel: Wachkoma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin P. Meranius
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sich durch das Haar, das ihr der Wind unentwegt durcheinanderbrachte.
    „Durchwachsen? Was genau ist denn gerade so leidlich, ohne dass es ungetrübt ist?“, antwortete Silvester schmunzelnd, um sie ein wenig aus der Reserve zu locken.
    „Leidlich ist, dass ich hier sein muss, fern von meinem Arbeitsplatz. Und ungetrübt, also von nichts Negativem beeinträchtigt, sind natürlich die netten Begleiter hier“, antwortete sie. Und auch wenn Silvester spürte, dass ihre Antwort aufgesetzt war, lachte er zur Förderung der Stimmung laut auf.
    „Aber mal im Ernst“, ergriff Beata erneut das Wort, nun mit deutlich mehr Ernsthaftigkeit in der Stimme. „Ich würde gerne wissen, wann ich abreisen kann. Ich bin schließlich schon ein paar Wochen hier. Natürlich wirke ich momentan nicht unbedingt gefestigt auf Sie. Bin ich wohl auch nicht, ich erkenne mich ja selbst kaum wieder.“
    „Beata, Sie sind auf einem sehr guten Weg und entscheiden schließlich selbst, wann es so weit ist, diesen Ort zu verlassen. Sie werden es einfach spüren, das verspreche ich Ihnen. Und auch Sie entscheiden, wohin Sie anschließend gehen werden.“
    Beata überlegte kurz, ob sie ihm vielleicht doch erzählen sollte, wie es in ihr drinnen zurzeit aussah.Ohne weiter darüber nachzudenken, ergriff sie wieder das Wort.
    „Ich stand noch bis vor wenigen Wochen in der Mitte der Gesellschaft, zumindest dachte ich das. Jetzt stellt sich heraus, dass es lediglich die Mitte des Geschäftslebens war. Ein Leben, verbunden mit dem pulsierenden Wirtschaftsleben! Weiter nichts!“
    „Wie meinen Sie das?“, fragte Silvester vorsichtig.
    „Ich beherrsche die Normen und Werte und alle sonstigen wissenswerten Gesetzmäßigkeiten wie keine andere. Ich war schließlich ganz oben in meinem Beruf, zumindest fühlte ich mich ganz oben. Doch eben nur im wirtschaftlichen Leben, verstehen Sie das?“, fragte sie mit einer Klarheit, wie sie sie in den letzten Tagen an sich selbst ein wenig vermisst hatte.
    „Und nicht im Zwischenmenschlichen“, ergänzte Silvester vorsichtig, als wollte er nicht zerstören, was sie sich soeben im Begriff waren aufzubauen.
    Beata nickte und saß neben Silvester auf der Hollywoodschaukel, einem eigentlich fremden, gut aussehenden Mann, und war gerade im Begriff, ihm ihr Herz auszuschütten.
    „Was meinen Sie, wie es sich anfühlt, aufzuwachen und an einem Ort wie diesem zu sein? An dem die eigenen Gesetzmäßigkeiten nicht greifen. Mir fehlt im Moment die Orientierung. Eine Handlungsstrategie. Doch ich kann auf nichts zurückgreifen. Nichts, das passt. Als hätte ich mein Leben verschlafen. Da ist irgendwie nur Karriere, verstehen Sie das?“ Silvester ließ sie, ohne auf ihre Worte einzugehen, weitersprechen.
    „Wohl eher nicht“, fuhr Beata direkt fort, als habe sie sowieso keine Antwort erwartet. „Ist aber auch nicht wichtig. Ich bin mir irgendwie gerade selbst fremd.“
    Sogleich schämte sie sich auch schon für ihre untypische, schwache Gefühlsduselei.
    „Wissen Sie was, vergessen Sie es einfach“, sagte sieschließlich, als wollte sie alles Gesagte auf einen Schlag wieder zurücknehmen. „Wenn ich selbst keine Antwort habe, wie sollten Sie dann eine haben? Wie sollten Sie nachempfinden können, was sich in mir so leer anfühlt? Ich bin einfach wie verrückt geworden.“
    „Verrückt werden viele im Leben und nur die wenigsten bemerken es überhaupt. Und noch viel weniger gehen dagegen an und verrücken sich wieder dahin, wo sie sein sollten“, antwortete Silvester, als verstehe er sehr wohl, wovon Beata sprach.
    „Sie haben gut reden. Ich möchte Sie mal sehen, wenn man Sie aus Ihrem Leben rausreißen würde und alle Wege zurück versperrt wären. Scheinbar ohne Träume, durch die man vielleicht neue Wege hätte sehen können.“ Beatas Stimme war beim letzten Wort plötzlich nur noch ganz dünn. „Ich kann weder lenken noch steuern. Im Gegenteil, ich werde gesteuert. Als stünde ich privat nicht auf meinen eigenen Füßen.“
    Kaum hatte Beata diesen Satz ausgesprochen, brach sie zusammen. Vergrub das Gesicht in ihren Händen und weinte, wie ein unvorhersehbarer Wolkenbruch an einem schönen Sommertag. Silvester schloss sie in seine Arme und hielt sie einfach nur fest.
    Als Beata nach ein paar Sekunden wieder die Fassung erlangt hatte, liefen sie langsam zurück zum Haus.
    „So undurchsichtig der Nebel, so undurchsichtig ist auch manchmal das Leben“, sagte Silvester, um ihr gut zuzusprechen. „Bei Nebel

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