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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Pfaden und unberechenbaren Hindernissen, wo Huren, Hoteliers, Steuerprüfer, Polizeibeamte und Kutscher aus dampfenden Höhlen lugten und gestikulierten oder einander an halbtrockenen Flußbetten umarmten. Manchmal sah er sich, während er nervös die unteren Abhänge anpeilte und bereits das Zupacken des Schwindels fühlte, ein Exemplar des Daily Expreß aufschlagen und laut aus den wohlunterrichteten Seiten vorlesen: Ist der Kinderwagenbauer der vierte Mann? Linksradikaler Autor in den Fall verwickelt? Algerischer Portier berichtet von nächtlicher Orgie im Ungewitter; Hochzeitsreisende behaupten: Wir hörten sie durch die Wand. Frau des Autors völlig unschuldig. Chapman Pincher, Exklusivbericht.
    Auch über seinen eigenen Bankrott, auf den bordellgrün beleuchteten Seiten: Ist Cassidy pleite? Ist Fastenings zahlungsunfähig? Sohn des Parlamentsmitgliedes antwortet auf die Frage des Konkursverwalters : » Es ist für Trinkgelder draufgegangen . Mein Verbrechen war Großzügigkeit .«
    »Hilfe!« flehte der arme Sünder kläglich die Huren an. »Seht, was aus mir geworden ist.« Doch ehe er sich seiner Soutane entledigen konnte (ein mönchischer Sünder, dieser Cassidy), rannten sie weißärschig davon in die Lawinengräben, wo Shamus bereits mit blanker Waffe wartete, um sich an ihnen gütlich zu tun.
    Diese Vision entstammte nicht völlig Cassidys eigener Fantasie. Ihr Prototyp hing in den ewig leuchtenden Kammern seiner Kindheit, in jenen Tagen, als es Gott noch gefallen hatte, Old Hugo die Seelen nähren zu lassen, in der Wohn- und Schlafküche seiner ersten Mutter, wo sie seufzte und von ihrem Mann entworfene Chorhemden plättete: ein Berg namens Hades, gemalt von einem frommen Künstler, in einem der frühesten Polychromverfahren gedruckt und in Feuerholz gerahmt. Zu seinen Füßen waren alle Greuel dargestellt, die kleine Jungen gern begehen möchten; Diebstahl und Brandstiftung; Glücksspiel und geheime Wollust. Auf dem furchterregenden Gipfel wurden die gleichen Missetäter von schwarzen Engeln verbrannt.
    Ast, die gekommen war, um sich für die Blumen zu bedanken, entriß ihn dieser Pein.
    Ast in reifem Erntegelb, loser Sitz an den loseren Stellen.
     
    »Haben Sie das ernst gemeint«, fragte sie sanft, »was Sie geschrieben haben?«
    Sandra war weggegangen, um Schweinsfüße zu kaufen, der Sud würde ihn kräftigen.
    » In Liebe «, zitierte Heather, » und mit aufrichtigem Bedauern . Aldo, das kann doch einfach nicht wahr sein. Und aus Paris geschickt, bei all den Umtrieben.«
    Auch sie hielt seine Hand; aber fest in die oberen Polster ihrer Schenkel geschmiegt; an dem Punkt ihrer eigenen Person, den sie bei ihm während des Essens bei den Eldermans erreicht hatte. Nachdem sie zuvor wohlweislich die Tür geschlossen hatte. »Sie hatten so recht, mich zu tadeln«, flüsterte sie. »Und ich war so schwülstig, nicht wahr?«
     
    Diesen frühen Visionen hart auf den Fersen folgten ihre physischen Gegenstücke: jähe Schweißausbrüche, begleitet von Herzjagen, Entzündung von Hals und Ohren und eine heiße Trockenheit in den Augen; schriftliche Gleichungen von Sandra, Umrechnung von Fahrenheit in Celsius.
    »Er hat hundertundvier «, berichtete sie John Elderman beim zweiten Besuch. » Meilenweit darunter«, meldete sie beim dritten. Später besprachen sie seinen Zustand bei abendlichen Mahlzeiten im Kellergeschoß, denn John Elderman kam am liebsten nach sieben Uhr, wenn die übrige Welt schon heil war.
     
    Eine Zeitlang, während er noch immer zwischen Leben und Tod schwebte und laut seine Unschuld an den vielen Verbrechen beteuerte, deren er sich in seiner anderen Stimmung ständig bezichtigte, entschied Cassidy, daß Shamus ein Mythos sei. »Er hat nie existiert«, redete er sich selber ein, und er zog die Decken bis zur Nase und tat, als wäre er in einem Schlitten.
    Verstört durch die Erinnerungen an ausländische Ketzereien in Sacré-Cœur, verschaffte er sich aus Sandras reichhaltiger Bücherei die Lebensbilder heiliger Männer und beschloß während schwelgerischer Stunden im Badezimmer, ihrem Beispiel zu folgen.
    »Ich bin gereift«, erklärte er ihr. »Ich überlege mir, ob ich wieder in die Kirche eintreten soll, es scheint sich anzubieten.«
    Und später: »Wir wollen für eine Weile heraus aus diesem Teufelstanz, irgendwohin fahren, wo wir denken können.«
    Sandra schlug Oxford vor; dort seien sie glücklich gewesen. »Oder wir könnten’s mit Schottland versuchen. Die Hunde wären

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