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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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die für ihr Alter sehr einfältig war und selten viel mehr sagte.
    Hall genoß seinen Whisky unverdünnt aus einem hohen und so randvollen Glas, daß er wie helles Bier aussah.
    »So sollten wir ihn auch trinken«, erklärte Shamus, als sie zu Helen zurückgingen. »Wenn ich nicht zu Höherem berufen wäre.«
     
    »Ich muß sagen«, berichtete Sandra John Elderman. Heather war dabei gewesen und gab es an Cassidy weiter. »Ich muß sagen, er hält sich sehr fit. Er hat in einer Woche vier Pfund abgenommen.«
    »Das kommt von dem Essen bei den Gewerkschaften«, sagte John Elderman, der seine niederen Klassen kannte.
    »Er treibt jetzt auch Sport«, sagte Sandra mit einem (wie Heather berichtete) höchst ungewöhnlichen Lächeln.
     
    Beobachten nannte es Helen .
    Es war ihre Idee; sie brachte sie eines Morgens vor, während Cassidy am Fußende des blauen Bettes saß und ihren übriggebliebenen Toast von einem Michael-Truscott-Teller aß. Er war auf dem Weg zur South Audley Street schon sehr früh vorbeigekommen. Es war Urlaubszeit, und die Geschäftswelt stand so gut wie still.
    Auch die Tassen waren Truscott : Keramik von hoher Eleganz, er hatte gedacht, die schlichte Form werde ihr gefallen.
    »Ehrlich, Shamus«, sagte sie. »Er hat einfach nie gelebt, nicht wahr, Cassidy? Er hat sein ganzes Leben in London verbracht, und dabei kennt er es überhaupt nicht. Ehrlich, man fragt ihn, wo dies oder das sei oder wann es erbaut wurde oder … irgend etwas, und ich wette, er weiß es nicht. Cassidy, waren Sie jemals in der Tate Gallery? Hör gut zu, Shamus. Nun, Cassidy?«
    So gingen sie noch am gleichen Nachmittag, während Shamus werkte, zur Tate Gallery. Unterwegs erwarben sie ein Paar vernünftige Schuhe für Helen. Als sie feststellten, daß die Galerie geschlossen war, gingen sie statt dessen zu Fortnum zum Tee, und danach bestand Helen darauf, die Kinderwagenabteilung zu besuchen und sich eines von Cassidys Modellen vorführen zu lassen. Der Verkäufer war ungemein höflich und pries, ohne zu wissen, daß Cassidy persönlich ihm zuhörte, die Vorzüglichkeit seiner Produkte. Außerdem setzte er voraus, daß Helen und Cassidy verheiratet seien und daß Helen ein Baby erwartete, und dies führte zu viel heimlichem Gelächter zwischen ihnen und zu Händedrucken und Verschwörerblicken. Dann sagte Helen, es könnten womöglich Zwillinge werden, es gebe auffallend viele Zwillinge in der Familie, besonders auf ihrer Seite.
    »Mein Vater ist ein Zwilling und mein Großvater und mein Urgroßvater …«
    Und Cassidy warf ein: »Führte zu gräßlichen Scherereien mit dem Titel, nicht wahr, Darling?«
    Also zeigte der Verkäufer ihnen einen Cassidy-Zweispänner mit einem Cassidy-Banburn-Verdeck, und Helen schob ihn sehr feierlich auf dem Teppich hin und her, bis sie einen Kicheranfall erlitt und weggeführt werden mußte.
    Im Zoo hielt Helen stracks auf die Aasgeier zu und studierte sie ernsthaft und ohne sichtliche Furcht. An Hugos Gibbons hatte sie besonderen Spaß und mußte laut über sie lachen. Nein, berichtigte Cassidy sie geduldig, sie paarten sich nicht im Galopp, was sich da unten anklammerte, war das Kleine, so trugen sie ihre Jungen herum, fast wie Känguruhs.
    »Unsinn, Cassidy, seien Sie nicht so einfältig, natürlich tun sie …«
    »Nein«, sagte Cassidy entschieden, »das tun sie nicht.«
    Im Haus der Nachttiere beobachteten sie Dachse, die an einem Bau arbeiteten, und Fledermäuse, die sich die Ohren putzten, und kleine Nager, die an der Scheibe buddelten. Nein, sagte Cassidy auf die gleiche Frage, sie benutzten einander lediglich als Leiter. Im dunklen Korridor unter den Blicken einer undeutlich sichtbaren Kinderschar konnte Helen nicht umhin, Cassidy zum Dank für all das Wunderbare, was er für Shamus getan hatte, einen Kuß zu geben; und sie versicherte Cassidy, daß sie ihn auf ihre Weise ebenso treulich wie Shamus liebe und daß er immer bei ihnen ein Zuhause haben werde, ganz gleichgültig, wie düster die übrigen Seiten seines Lebens sein würden.
    Und als sie endlich auf dem Wege über verschiedene Kneipen wieder im Wasserklo (wie Shamus die Wohnung nannte) angelangt waren und ihn noch immer an der Arbeit fanden, noch immer mit der Baskenmütze vor dem Flußfenster kauern sahen, erzählten sie ihm alles, was sie beobachtet hatten, und allen Spaß, den es ihnen gemacht hatte; genau gesagt alles, außer dem Kuß, denn der Kuß war privat gewesen und konnte, genau wie die Verhaltensweisen gewisser

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