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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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herunterhängen lasse.
    »Unsinn«, sagte Sandra. »Geld ist nur ein Stück Papier. Auf das Glücklichsein kommt es an, nicht wahr, Aldo?«
    Um die Zeit während seiner verlängerten Abwesenheiten auszufüllen, hatte Sandra sich klugerweise einem neuen Interessengebiet zugewandt:
    »Was tun die Dockarbeiter in puncto Geburtenkontrolle?« wollte sie wissen. Gab es Beratungsstellen für Ehefrauen? Wenn nicht, so würden sie und Heather sofort eine errichten. Oder – ein vernünftiger Gedanke – sollten sie ihre Entscheidung aufschieben, bis Cassidy seinen Posten haben würde?
    »Ich glaube«, sagte Cassidy nach einigem Überlegen schlau, »es wird am besten sein, wenn ihr wartet, bis sich herausstellt, wo wir landen.«
     
    Als die Veränderung bei Shamus eintrat, war sie zunächst kaum von einer durch anhaltende Überanstrengung bedingten Nervosität zu unterscheiden und nur lose mit äußeren Ereignissen verknüpft. Hall hatte erheblichen Anteil daran; dennoch war die Rolle, die er dabei spielte, im Grunde wahrscheinlich mehr beispielhaft als aktiv.
    Seit mehreren Wochen hatten Helen und Cassidy und Shamus nun schon ein ganz ungewöhnlich glückliches Leben geführt. In dem Maße, wie Shamus Seite um Seite die vor ihm liegenden ordentlichen Papierstapel vergrößerte, wuchs, so schien es Cassidy, auch seine eigene Zufriedenheit in einem stetigen Crescendo vollendeter Kameradschaft. Cassidy kam meist nach dem Lunch, wenn Helen den Großteil ihrer häuslichen Pflichten hinter sich gebracht hatte. Manchmal war sie noch beim Abwasch – die Spülmaschine ging bei aller Einfachheit über ihre Kräfte –, und in diesem Fall trocknete Cassidy das Geschirr, während sie das Programm für den gemeinsamen Nachmittag ausarbeiteten. Häufig zogen sie Shamus zu Rate: glaube er, daß es regnen werde? Was halte er von einer Fahrt nach Hampton Court? Sollten sie den Bentley nehmen oder einen Wagen von Harrods? Und wenn sie zurückkamen, saßen sie Hand in Hand am Tisch und erzählten ihm bei einem schlichten Talisker oder einer Flasche Schampuh von all ihren vielen Abenteuern und Eindrücken.
    Manchmal las Shamus ihnen dafür aus seinem Manuskript vor, und obgleich sich Cassidy bei diesen Gelegenheiten willentlich in eine Art Trance versetzte, die ihn nur einen allgemeinen Eindruck von Genialität wahrnehmen ließ, pflichtete er gern bei, daß es besser sei als Tolstoi, sogar besser als Moon , und daß Dale der glücklichste aller lebenden Verleger sei.
     
    Manchmal sagte Shamus überhaupt nichts, sondern schaukelte nur auf seinem Stuhl hin und her und ließ an den komischen Stellen Keats an seiner Stelle aufkreischen.
     
    Doch manchmal kam Cassidy, wenn er nicht praktisch die Nacht bei ihnen verbracht hatte, schon so früh, daß er noch ihr Frühstück in dem blaugeblümten Schlafzimmer teilen und in der Morgenfrische die Probleme der Welt mit ihnen durchsprechen konnte, oder besser gesagt, ihre eigenen Probleme. Es war eine Stunde äußerster Offenheit in allen Dingen, die ihre Dreisamkeit betrafen. Das Liebesleben von Helen und Shamus zum Beispiel war zwischen ihnen ein offenes Buch. Obwohl Paris nie zur Sprache kam – Cassidy fragte sich zuweilen bereits, ob sie jemals dort gewesen waren –, hatte Helen durchblicken lassen, sie kenne Shamus auch in dieser Verfassung, und Cassidy verberge nichts vor ihr, was ihren Stolz verletzen konnte. Auch war es in keiner Weise ungewöhnlich, daß Shamus und Helen auf ein kürzlich stattgehabtes Bettscharmützel zu sprechen kamen, oft mit humorigen Obertönen. »Herrje«, sagte sie einmal zu Cassidy, als sie von einem ausgedehnten Lunch im Silver Grill aufstanden, »er hat mir praktisch das Rückgrat gebrochen«, und vertraute ihm an, daß sie im Kama Sutra gelesen und einen der anspruchsvolleren Vorschläge nachvollzogen hatten. Aus anderen beiläufigen Bemerkungen, die im Rahmen des Gesprächs nebenbei geäußert wurden, erfuhr Cassidy, daß sie die Neigung hatten, zu besagtem Zweck Telefonzellen und andere öffentliche Einrichtungen zu benutzen; und daß sie ihre Meisterleistung auf einer abgestellten Lambretta in einem Gäßchen hinter dem Buckingham-Palast vollbracht hatten. Während er, was üblichere Verfahren betraf, nicht umhin konnte festzustellen (da er ziemlich oft im benachbarten Zimmer nächtigte), daß seine Freunde sich zumindest einen Meinungsaustausch pro Tag genehmigten, und nicht selten zwei oder drei.
     
    Das erste Symptom für eine Flaute in dieser idyllischen

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