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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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hängen.«
    Ehe sie sich trennten, wurde sie sehr streng.
    »Dubiosus, haben Sie selber Jungens?«
    »Ja, Mrs. Harabee. Zwei.«
    »Haben Sie sie in Sherborne angemeldet?«
    »Noch nicht, Mrs. Harabee.«
    »Sollten Sie aber.«
    »Ja, ich tu’s.«
    »Wie sollen wir andernfalls weitermachen? Wenn die alten Schüler uns nicht die Treue halten, wer sonst sollte es tun? Und schließlich, Sie können es sich ganz offensichtlich leisten.«
    »Ich werde es nächste Woche tun«, sagte Cassidy.
    »Tun Sie’s jetzt . Laufen Sie zur Pforte und tun Sie es jetzt, ehe Sie es vergessen.«
    »Tu’ ich«, versprach Cassidy und schaute ihr nach, wie sie hügelan stieg, stetigen Schritts und rüstig ausgreifend.
     
    Wieder wanderte er, als der Abend kam, er fand die engen Gassen hinter dem Digby und roch den Holzrauch und den feuchten einhüllenden Dunst englischer Steine; erhaschte aus den Fenstern der Schulgebäude Fetzen von Holzbläsermusik aus halbgeübten Mündern; erinnerte sich an die Pein des Liebens, ohne einen Menschen, den man lieben konnte; und beneidete Mrs. Harabee, deren Liebe zugleich so einzig und diffus sein konnte.
    Und forschte in den verdämmernden Gesichtern nach der Tochter des Polizisten.
    Bella? Nelli? Ella? Er wußte es nicht mehr. Sie war fünfzehn gewesen, Cassidy sechzehn; und seitdem hatte sein Geschmack sich nie ernstlich weiterentwickelt, weder über ihr Alter noch über die Erfahrung hinaus, die sie ihm geboten hatte. Ihre Brüste waren nicht zu bändigen, ihre Hüften schwer wie Bauernbrot und ihr Haar lang und blond. Er hatte sie im Sommer an Wochentagen nach dem Kricket besessen, in den entlegeneren Sandlöchern des Golfplatzes von Sherborne, wo sie beieinander lagen, ausschließlich Handarbeit. Sie hatte ihm nie erlaubt, in sie einzudringen. Soweit er wußte, war sie bis dato Jungfrau gewesen, denn sie hatte eine Todesangst vor Schwangerschaft und die übertriebensten Ansichten über die Beweglichkeit des Samens.
    »Sie wandern«, versicherte sie ihm einmal, als sie in ihrer winzigen Düne lagen, und ihre grünen Augen waren weit vor Ernsthaftigkeit. »Sie finden ihren Weg nach dem Geruch und wandern hin.«
    Trotz dieser Einschränkungen hatte er nie eine Frau so voll und ganz besessen oder so heftig begehrt. Sie befriedigte ihn so kunstvoll, wie er sich selber befriedigte; dafür konnte er sie berühren, wie er wollte, stundenlang bei den Verheißungen ihres Fleisches verweilen. Ihr voller, glatter Körper war mädchenhaft und mütterlich zugleich; ihre feuchten, durch Membrane aus billiger Seide dringenden Glutherde waren die Inkubatoren seines Lebens und seiner Lust; und ihre schreckerfüllte Empfindlichkeit gegen seinen zeugenden Samen vertiefte nur die gegenseitige Bindung. So wie sie ihn geboren hatte, konnte sie auch von ihm empfangen: Mutter und Tochter hatten gleichermaßen von ihm Besitz ergriffen.
    Und dachte wiederum an Sandra, und ob er sie jemals auf diese Art geliebt hatte, vielleicht ja, vielleicht auch nicht.
    In der Kneipe warf das Fernsehgerät seinen blauen Feuerschein, und ein kleiner Hund bellte nach Schinken-Chips.
    »Null«, sagte Angie am Telefon. »Nicht ein Wort.«
    »Nicht die geringste Hoffnung«, erklärte er Sandra, als er sie vorgeblich aus Reading anrief, wohin er vorgegeben hatte, in vorgeblicher Wohltätigkeitsmission zu fahren; denn Vorwände waren seine einzige Chance, sich Billigung und Alleinsein zu verschaffen. »Nicht die geringste Hoffnung«, wiederholte er voll Überzeugung. »Die National Playing Fields Association hat sich das einzige in Frage kommende Gelände geschnappt.«
    Und trank sechs Whisky, Marke Talisker, neuerdings seine Lieblingsmarke. Und kaufte eine halbe Flasche Malzverschnitt, das flache Format, damit sie in seine Tasche paßte.

11
    Lieber Mark (er schrieb an jenem Abend in seinem Hotelbett in Marlborough auf die imaginären Seiten seiner betrunkenen Fantasie). Damit du dich nie fragen mußt, wer deine Eltern sind oder wie du zu deinem Leben kamst, will ich dir hiermit kurz umreißen, wie alles passiert ist, und dann kannst du selber entscheiden, wieviel du der Welt schuldest und wieviel die Welt dir schuldet.
    Mummy und Daddy lernten sich in Dublin auf einem Ball kennen, Daddy trug seinen ersten Smoking, und Opa Cassidy war der Oberkellner …
     
    Er fing neu an. Nicht Dublin: Oxford. Wie, zum Teufel, war er auf Dublin verfallen? Kein Tropfen irischen Blutes in uns , mein Sohn , die Cassidys sind englisch bis ins Mark . Oxford,

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