Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
Vom Netzwerk:
Shilling, nur an Wiederverkäufer.« Er hält inne. »Soll ich das Ganze vorlesen?« fragt er einigermaßen verlegen.
    »Wir bitten darum, Meale.«
    Wir bitten darum, Meale. Ihre Stimme, Meale, ist nicht halb so beleidigend, wie Sie annehmen, und weitaus sympathischer als die Stimme des Proleten Lemming oder dieses Scheißkerls Faulk. Es liegt Hoffnung darin, wissen Sie, Meale. Sie hat Leben, sie hat Zukunft, Meale. Fahren Sie fort, unseren Segen haben Sie.
    »Der Federmechanismus, der in einem luftdichten Behälter arbeitet, hat Überhitzung erzeugt und in einem Fall sogar Verbrennung. Bei einer simulierten Geschwindigkeit, die fünf Meilen pro Stunde entspricht – das ist das maximal zu veranschlagende Fußgängertempo –, wurde beobachtet, daß die Feder den Behälter durchbrach , woraufhin sich eine rasche Beschädigung auch der Plastikschicht ergab …«
    Woraufhin, Meale, die Feder eine freie Feder war, und wie Sie so richtig sagten, aus ihrem unnatürlichen Gehäuse ausbrach. Eine springlebendige, pulsierende Feder, die ein Leben zu führen und ein Herz zu vergeben hat.
    »Miß Mawdray.«
    »Ja, Mister Aldo.«
    Hab’ ich dich, du Aas.
    Sie fährt so abrupt herum, als hätte Cassidy sie gezwickt. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt. Sich vorgebeugt, weit vorgebeugt, Gott segne das liebe Kind, um Meales Tasse neu zu füllen, glatter Verrat in Anbetracht der Tatsache, daß seine eigene Tasse ebenfalls leer war, und ihre Brüste hatten sich gefährlich seinem Nacken genähert, ihn fast gestupst, als Cassidys Anruf sie zur Ordnung ruft. Ist das der Grund für ihre Überraschung? Macht sie deswegen Front gegen ihn, Auge in Auge, Brust an Brust, den Rock straff über das Becken gespannt, die Augenbraue unmerklich gehoben, die Zunge locker auf der Lippe? Schwang in seiner Stimme ein unbewußt drängender Ton, eine nicht gebändigte Eifersucht, als er den Sonnenstrahl schmaler werden sah zwischen den beiden üppigen Kuppeln und der harten Schulter des unerfahrenen Jungen? Doch nur Spaß , Mister Aldo .
    »Miß Mawdray – Verzeihung, Meale –, Miß Mawdray, die Post. Das war die ganze Post? Sind Sie sicher?«
    »Ja, Mister Aldo.«
    »Es war nichts … Persönliches dabei? Keine persönlichen Sendungen? Wie eine Rose, zum Beispiel?«
    »Nein.«
    »Haben Sie im Packraum nachgesehen?«
    »Ja, Mister Aldo.«
    Zurück. Zurück zum Warten. Wir haben Zeit zu warten, Zeit zu warten.
    »Nun, damit wäre die Feder erledigt, oder?« sagte Lemming voll Genugtuung und stach mit einem überbezahlten Finger nach Meales Bericht.
    »Nicht unbedingt«, sagte Cassidy. »Meale, würden sie bitte weiterlesen. Langsam, Meale, wir haben unendlich viel Zeit.«
     
    Warten. Er wartete und schmachtete wie ein Mädchen zur Zeit der Eduards in den Blumengärten seiner Erinnerung. Wandelte in morgendlichen Parks und sah die ersten Tulpen sich der ungeduldigen Sonne öffnen; trug neue Rosen in seinem Knopfloch, schlief im Savoy unter dem Vorwand, eine Wohltätigkeitsmission zu erfüllen, kaufte Sandra verschiedene teuere Geschenke, einschließlich eines Paares hoher schwarzer Anna-Karenina-Stiefel und eines schlichten gegürteten Morgenrocks, der ihr einigermaßen stand, aber nicht mehr. Wartend trieb er sich schuldbewußt vor Buchläden herum, trat von einem Fuß auf den anderen und wagte keinen über die Schwelle zu setzen; bis er eines Tages Angie ausschickte, um ein Exemplar zu kaufen, und es in eine Lade seines Schreibtisches legte und die Lade gegen seinen eigenen Zugriff abschloß.
    Wartend führte er Hugo in den Zoo.
    »Wo wohnt denn Heather?« fragte Hugo, als sie unter den Hängebirken auf dem Flußdampfer fuhren. Er saß auf Heathers Schoß, sein gebrochenes Bein baumelte lässig zwischen ihren breiten Schenkeln.
    »In Hampstead«, sagte Heather. »In einer winzig kleinen Wohnung neben einem Milchgeschäft.«
    »Du solltest zu uns ziehen«, sagte Hugo vorwurfsvoll, »weil du meine Freundin bist, nicht wahr, Heather?«
    »Ich wohne doch praktisch schon bei euch«, sagte Heather und kuschelte ihn näher an ihren weichen, schlaffen Körper, während sie einen roten Apfel aus einer Tüte kaute.
    Sie war ein warmes, blondes Wesen, um die vierzig, einst mit einem Verleger verheiratet. Jetzt war sie geschieden und spielte Patentante in anderen Ehen. Hugo schien sie lieber zu haben als Sandra, und in gewisser Weise ging es Cassidy ebenso, denn sie besaß das, was er als Gelassenheit bezeichnete, eine pastorale Beschaulichkeit des breiten,

Weitere Kostenlose Bücher