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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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seiner Gegenwart.
    Er hatte gekochte Zunge gegessen, die ihn ans Militär erinnerte, und er hatte hausgemachten Wein getrunken, der ihn an nichts erinnerte, was er je im Leben auf der Zunge gehabt hatte. Sauerampfer, sie mußten ihn aus Sauerampfer gekeltert haben, den sie in Burnham Beeches ausgerupft und in ihrem klapprigen Lastwagen hergeschafft hatten.
    »Mein Gott , ist der stark«, sagte eine Frau. »Ehrlich, John, ich kriege einen Schwips.«
    »Ist Zimt darin?« fragte eine andere – genau gesagt, Mrs. Groat, die etwas gegen Zimt hatte, er schwäche den Magen.
    »Nein«, sagte Cassidy und erntete verlegenes Schweigen.
    Am Rechaud goß John Elderman Marc de Bourgogne über einen Pudding, den niemand wollte.
    Cassidy saß zwischen zwei geschiedenen Frauen, eine Spezies/die die Eldermans protegierten. Zu meiner Linken Heather Ast, normalerweise sympathisch, heute abend jedoch widerlich, die Abalone Women’s Liberation Front hat sie verdorben. Zu meiner Rechten, mit fünfunddreißig Kilo Lebendgewicht, eine spindeldürre Meeralge namens Felicity, gleichfalls Weinpantscherin, gleichfalls geschieden, gleichfalls von der Unabhängigen Linken, Star des Laientheaters und berühmt in Vamprollen. Das Gespräch haben jedoch ein Mann vom Foreign Office und seine Frau an sich gerissen; sie wurden von einem Kind mitgebracht, das nur portugiesisch spricht, es sitzt neben Hugo und trägt Ohrringe und Nationaltracht. Die Frau ist eine schwadronierende Veteranin entlegener Unruheherde und sehr vom Leben enttäuscht. »Wer wird Libby English lehren?« greint sie. Es war der Preis für eine Eingeborenenerziehung; die englische Schule in Angola war zu reaktionär gewesen.
    »Oh, sie wird es einfach aufschnappen«, sagte Mrs. Niesthal zuversichtlich. »Wir hatten nämlich das gleiche Problem.« Die Niesthals lachen einander zu, und wir übrigen sind viel zu fortschrittlich, um uns einzugestehen, daß europäische Juden nicht von Oliver Cromwell abstammen.
    »Es macht wirklich Spaß«, sagte Ast und himmelte Elderman an, »einen Mann zu sehen, der wirklich kochen kann.«
    »So viele sind nur falsche Fünfziger«, pflichtete die Meeralge an seiner anderen Seite zu und wiegte sich in einer leichten Strömung.
    »Das sind wir alle«, sagte Cassidy.
    »Falsche Fünfziger?« rief der alte Niesthal und zog es ins Scherzhafte. »Mein Gott, sprechen Sie mir nicht von falsch, ich kauf jeden Tag zwei Dutzend Fälschungen.«
    Ein wohlwollendes Lachen stieg auf, angeführt von John Elderman.
    »Friedl sagt schreckliche Sachen«, erklärte Mrs. Niesthal heiter.
    »Genau wie Heather«, sagte Cassidy und hätte sich die Zunge abbeißen mögen.
    Die Kinder waren am Tischende installiert, und Hugo saß dort, den Daumen in den Mund geklemmt wie eine Pfeife, und las den Evening Standard . Zwei vollgefressene Eldermanmädchen klammerten sich in grimmiger Umarmung aneinander.
    »Warschau«, schleuderte John Elderman durch den Dampf seines Gebräus und knüpfte an ein vorhergegangenes Gespräch über den freien Osten an. »Einmalig. Auf medizinischem Gebiet nie etwas Vergleichbares gesehen.« Er trug ein kurzärmeliges Hemd, und seine Arme waren dünn und seidig wie Mädchenarme. »Tüchtig trinken«, empfahl er und warf den Kopf zurück. »Tüchtig trinken. Fröhlich sein.«
    »Ja«, sagte Mrs. Groat in ihrem ständigen Bestreben zu zeigen, daß sie auch noch da war. »Ja, aber nicht zu tüchtig«, und kicherte durch die blauen Fenster ihrer überflüssigen Brille.
    »Ja, ja «, sagte Cassidy, und Sandra warf ihm einen haßerfüllten Blick zu. »Ja, ja, ja, ja, ja .«
     
    Die Eldermansche sagte, wenn es nach ihr ginge, würden Privatärzte abgeschafft. Sie saß nicht am Tisch, sondern halb liegend auf dem Fußboden, ein Todesopfer der eheherrlichen Kochkünste, und beim Sprechen zog sie an ihrem langen, krausen Haar, als spielte sie eine mittelalterliche Prinzessin. Sie trug eine Spange aus unpoliertem Blei.
    »Besonders Spezialisten«, fügte sie hinzu und blickte Cassidy nicht an. »Ich finde, es ist eine Schande, daß jeder hingehen und die Dienste eines Spezialisten ohne weiteres kaufen kann, vorausgesetzt, daß er reich ist. Es ist völlig gegen den Sinn der Sache. Völlig unorganisch . Schließlich, wenn es eine natürliche Auslese wirklich geben sollte, so sollte sie nicht vom Geld abhängig sein, nicht wahr?«
    Ihr Gesicht war vom Sauerampfer stark gerötet.
    »Ganz richtig«, sagte Sandra und schloß schnell wieder den Mund, um für die

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