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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Aufmerksamkeit auf John Elderman und wählte dabei im stillen ein Thema von beiderseitigem Interesse, ein Fußballmatch, Johns interessanten alten Lastwagen; und war daher überrascht, an seiner Stelle Shamus vorzufinden, der, nicht stehend, sondern im Dampf schwebend, mit Eldermans Kochlöffel den übelriechenden Pudding umrührte, die schwarzen Augen durch das Kerzenlicht hindurch auf Cassidy geheftet, das feuchte Gesicht strahlend in koboldhaftem Verschwörergrinsen.
    »He, Lover«, sagte er. »Ist das nicht stinklangweilig? Vorstadtproleten bei einem Ringelpietz mit Anfassen?«
    Gleichzeitig oder vielleicht den Bruchteil einer Sekunde früher, denn psychische Erlebnisse besitzen keinen Zeitwert, hörte er Shamus’ Namen, sowohl Vor- wie Familiennamen, unbekümmert zu seiner Linken ausgesprochen.
    »Ein Jammer , daß er so jung gestorben ist«, erklärte Ast, und ihre Hand rückte ein wenig an seinem Bein hoch. »Wer bleibt an modernen Autoren noch übrig?«
    Dann reichte John Elderman ihm seinen Pudding, und er verbrannte sich den Mund.
    Rückblickend vermochte Cassidy natürlich besser zu verstehen, was passiert war. Seine Sinne waren so in Anspruch genommen von Hugos Rätsel und Asts verständnisvoller Hand, daß ihm eine parallellaufende Unterhaltung zwischen den rechts und links von ihm sitzenden Frauen entgangen war: also zwischen Ast und der Meeralge. Schon eine Weile hatten sie, wie ihm nachträglich bewußt wurde, im Flüsterton intellektuelle Gemeinplätze aus Sonntagszeitungen ausgetauscht, offenbar über das Thema ›Moderner Roman‹. Und so schlug die unvermittelte, unangekündigte Erwähnung von Shamus’ Namen mit voller Wucht in eine ungedeckte Ecke seines Bewußtseins ein und ließ ihn in seiner Verwirrung im lebendigen Rahmen John Eldermans das Bild des verbannten Freundes erblicken. Dazu kam noch, daß die vier großen Whiskys im Audley Arms – ganz abgesehen von einem Abstecher auf die Toilette, wo der Bär sich einen Kleinen aus einer Geheimflasche genehmigt hatte – zusammen mit der Langweiligkeit des Abends ihre Wirkung nicht verfehlt hatten.
    Außerdem hatte er eine Menge Sauerampfer getrunken.
    Doch alle diese Einsichten kamen ihm zu spät, denn während sein natürliches Taktgefühl ihm dringend anriet, zu schweigen, hatte er bereits die erste Begegnung mit einem Gespenst überwunden und sich in eine ebenso lebhafte wie unbesonnene Diskussion über den großen Schriftsteller gestürzt.
    »Tot?« echote er, sobald er sein Glas geleert hatte. »Tot? Er ist nicht tot . Er ist nur so viel herumgezerrt worden, daß er sich aus dem Staub gemacht hat. Kann ihm schließlich keiner übelnehmen. Zufällig weiß ich aus erster Hand, daß er in Kürze ein neues Buch vorlegen wird –.«
    »Dieser Pudding widert mich an«, warf Hugo laut dazwischen, aber niemand nahm Notiz von ihm.
    Asts Hand hatte einen Punkt erreicht, an dem keine Frau, und wäre sie noch so zerstreut, unbewußt anlangen kann. Nun wurde sie brüsk weggezogen.
    »– das ohne jeden Zweifel«, schloß er zuversichtlich, »alle seine anderen Bücher in den Arsch treten wird. Moon eingeschlossen.«
    Wie Cassidy, so kurz nach dem Schock von Shamus’ gespenstischem Erscheinen – oder, wie es jetzt möglich schien, seiner Reinkarnation – den Mut fand, solch kühne Reden aufzutischen, war ein Rätsel, das er niemals löste, obgleich er sich in seinen launigeren Momenten fragte, ob Shamus wohl zu einer, nur ihm selber bekannten kleinen Elite von Gespenstern gehöre, denen die Gabe zu eigen war, Zutrauen statt Schrecken einzuflößen.
    »Er ist ein undsechzig gestorben «, sagte Ast und artikulierte so deutlich wie für Schwerhörige. Ihr ausladender Busen schwoll ihr vor Ärger bis an den Hals.
    »Er hat sich versteckt gehalten«, sagte Cassidy.
    »Woher willst du das wissen?« fragte Sandra. »Du hast in deinem ganzen Leben keinen Roman gelesen.«
    »Da ist Petroleum drin«, sagte Hugo und schob seinen Teller geräuschvoll in die Mitte des Tisches.
    »Halt den Mund«, sagte Sandra.
    »Mir schmeckt er«, sagte Prunella Elderman und streckte der Angloportugiesin die Zunge heraus.
    An diesem Punkt mußte Cassidy an Heather Asts Ehemann denken, einen dürren, Künstlerkrawatten tragenden Menschen, der, so sagte sie, eines Morgens aufwachte und beschloß, daß er ein Homo sei. Er sah ihn ganz speziell in Pyjama und Nachtmütze vor sich, wie er sich mit einem Ruck aufrichtete, als der Tee gebracht wurde. »Heather«, sagt er, »ich muß

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