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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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nächste Runde startbereit zu sein.
    »Darling, glaubst du wirklich?« fragte ihre Mutter und ließ erschrocken den Unterkiefer fallen. »In Afrika wären wir nie ohne sie fertig geworden.«
    »O Mummy«, sagte Sandra wütend.
    »Sandra ist dort geboren«, sagte Cassidy ermunternd. »Nicht wahr, Sandra? Erzähl uns doch ein bißchen darüber, es wird allen Spaß machen. Erzähl von dem Arzt, der sich zu Tode gesoffen hat.« Hugo blätterte seine Zeitung um und prustete in die hohle Hand.
    »Wir waren in Nebar «, erläuterte Mrs. Groat unverzüglich der Meeralge. »Früher hieß es Goldküste und dann Liberia – es heißt doch Liberia, Darling, ich kann diese neuen Namen nie behalten? – oder ist Liberia der alte Name? Also, natürlich gab es zu unserer Zeit kein Liberia!« – etwa so als hätte es auch kein Penicillin gegeben – »also muß es die Goldküste gewesen sein, nicht wahr? Es gab damals kein Liberia«, erklärte sie laut mit schelmischem Lächeln, um den Witz deutlich zu machen. »Dafür gab es damals die Armee.«
    »Du siehst doch«, zischte Sandra triumphierend ihrer Mutter zu, »daß niemand es komisch findet. Aldo , hör auf.«
    Zu spät. Cassidy klatschte bereits Beifall. Es war keine willentliche Provokation. Eher als hätten seine beiden Hände, denen es auf dem Tisch zu langweilig geworden war, beschlossen, sich Bewegung zu verschaffen; und erst später, als er die Szene aufs unerfreulichste mit Sandra nochmals durchspielte, entsann sich Cassidy im stillen eines ganz anderen Händepaares, das Helen im Restaurant in Bath applaudiert hatte.
    »Sie lachen, wenn ihr Vater es befiehlt«, erwiderte ihre Mutter, als der Applaus geendet hatte; und errötete.
    »Er ist soweit«, sagte John Elderman, als eine Rauchsäule aus der überhitzten Pfanne hochschoß. »Wer kommt als erster?«
    Ohne ihn zu beachten, rollte sein namenloses Eheweib sich auf der massiven Hüfte herum, rammte eine Flasche in den Mund eines nahe liegenden Babys und schnitt das Thema Südostasien an. Hatten sie alle die Nachrichten gehört? fragte sie und erwähnte ein Land, von dem Cassidy nie gehört hatte. Sie hatten die Nachrichten nicht gehört. Nun, sagte sie, die Amerikaner seien dort eingefallen. Sie seien heute um fünf Uhr früh einmarschiert, und die Russen drohten mit Gegenmaßnahmen.
    »Freiwillige vor«, sagte Cassidy, aber diesmal nicht laut genug, so daß niemand außer Heather es hörte.
    »He, Sie«, sagte Heather sanft und legte eine warnende Hand auf seine Knie, »piano, Sie verscheuchen das Wild.«
    In diesem Augenblick stellte Hugo seine Frage. Bis jetzt hatte er sich nicht an der Handlung beteiligt, so daß seine Einmischung zumindest einen Überraschungseffekt erzielte.
    »Warum mögt ihr den Schnee nicht?«
    Sein Daumen war noch immer in den Mund geklemmt, und die Brauen zogen sich dicht über den unverwandt blickenden grauen Augen zusammen. Konzentriertes Schweigen, dann kam die Salve: »Weil er schmilzt!« schrie Prunella Elderman. »Weil er zu kalt ist, weil er ganz weiß und ganz naß ist.«
    Die übrigen Schwestern fielen mit ein. Ein Baby brüllte. Ein Kind trommelte mit dem Löffel auf den Tisch, ein anderes sprang auf einem Stuhl auf und ab. Cassidy ergriff die Karaffe mit dem Sauerampfer und füllte sein Glas.
    »Weil er nicht lebendig ist!« kreischten die samtbekleideten Schwestern. »Weil man ihn nicht essen kann! Warum denn? Warum, warum, warum?«
    Hugo ließ sich Zeit, er verlagerte sein Gipsbein, blätterte seine Zeitung um. »Weil ihr ihn nicht heiraten könnt«, verkündete er ernsthaft.
    Im allgemeinen Stimmengewirr machte Shamus seinen Auftritt.
     
    Cassidy hätte nicht weniger auf ihn gefaßt sein können. Seine Gedanken waren, wie er sich später deutlich erinnerte, in diesem Augenblick zu dem quälenden Hintersinn von Hugos Rätselfrage abgeschweift; ob sie eine versteckte Auseinandersetzung mit häuslichen Spannungen bedeutete, ob die Schmerzen des gebrochenen Beins den Verstand des sensiblen Kindes vorübergehend verwirrt hatten. Wenn noch irgend etwas anderes ihn zu diesem Zeitpunkt beschäftigte, so war es die Hand von Heather Ast: eine beschwichtigende Hand? Wußte Heather, daß die Hand noch immer auf seinem Knie lag? Hatte sie sie vergessen wie eine Handtasche? War sie ein Olivenzweig nach ihrer vorherigen unbegründeten Reizbarkeit? Auf der Suche nach dem Beistand durch einen männlichen Verbündeten in diesem Augenblick sexueller Ungewißheit übertrug Cassidy seine

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