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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Eine Szene, dachte er, es wird eine Szene geben. Ich habe mich wieder blöd benommen, und jetzt ist sie beleidigt. In die letzte Szene war Meale hineingezogen worden, fiel ihm ein; Angie hatte verlangt, daß Cassidy ihr eine Ausrede verschaffte, damit sie eine Einladung Meales nicht annehmen müsse, und er hatte sich geweigert.
    »Sie müssen sich schon selber aus der Affäre ziehen«, hatte er ihr erwidert, Cassidy, der Meister im Schaffen klarer Verhältnisse. »Wenn Sie ihn nicht mögen, sagen Sie’s ihm. Sonst wird er Sie immer wieder einladen.« Und nun hatte er einen zweiten, ebenso unglücklichen Eingriff in ihr Privatleben getan und würde jetzt den Preis dafür bezahlen.
    Er wartete.
    »Ich trage ihn, wenn mir danach ist«, sagte Angie schließlich zu seinem Rücken. Ihre Stimme war noch beherrscht, aber bereits heiser vor Zorn. »Und wenn mir nicht danach ist, dann kann er mir gestohlen bleiben, also Schnauze.«
    »Ich habe mich entschuldigt«, erinnerte sie der Herr Direktor.
    »Das ist mir ganz egal. Ich bin nicht scharf auf Entschuldigungen, oder? Ich hab’ Schluß gemacht, das ist alles, und Sie geht das gar nichts an.«
    »Bestimmt nur ein kleines Mißverständnis«, tröstete Cassidy sie. »Das wird sich wieder einrenken, Sie werden sehen.«
    »Wird es nicht «, versicherte sie wütend. »Und es soll sich auch gar nicht wieder einrenken. Er ist eine Niete im Bett und eine Niete rundum, also warum sollte ich ihn unbedingt heiraten, wenn’s mir keinen Spaß macht?«
    Cassidy, der nicht recht wußte, ob er seinen Ohren trauen dürfe, verhielt sich schweigend.
    »Die Kerle sind zu jung«, sagte Angie und klatschte mit ihrem Buch aufs Knie. »Hängen mir zum Hals raus. Kommen sich großartig vor und sind bloße Babys . Verschissene, egoistische, alberne Babys .«
    » Das «, sagte Cassidy und flüchtete sich in den sicheren Hort seines Schreibtisches, »kann ich nicht beurteilen«, und lachte, als wäre diese Ignoranz ein guter Witz. »Angie, fluchen Sie oft so greulich?«
    Mit einem Ruck sprang sie auf, nahm mit der einen Hand seine Tasse und zog mit der anderen am Saum ihres Rockes. »Nur, wenn man mich reizt.«
    »Wie war der Zahnarzt?« fragte er, in der Hoffnung, durch höfliches Geplauder wieder eine gewisse Distanz herzustellen.
    »Toll«, sagte sie mit plötzlich sehr zärtlichem Lächeln, »hätte ihn mit Haut und Haaren auffressen können, ehrlich.«
    Cassidys Zahnarzt; gehörte zu seinem privaten Gesundheitsdienst für die Mitarbeiter. Ein Mann von fünfundvierzig; verheiratet.
    »Gut.«
    Seine nächste Frage kam noch beiläufiger: »Irgendwelche Mitteilungen eingegangen … nichts Ungewöhnliches?«
    »Ein verrückter Pfarrer hat angerufen, das war alles. Wollte Gratiskinderwagen für Waisen. Ich habe Ihnen einen Zettel auf den Schreibtisch gelegt. Ein Ire.«
    »Ein Ire? Woher wissen Sie das?«
    »Weil er gesprochen hat wie ein Ire, Schlaukopf.«
    »Hat er nichts hinterlassen?«
    »Nein.«
    Eifriger: »Er hat keine Telefonnummer hinterlassen?«
    »Ich sage doch, er war verrückt! Geben Sie’s auf.«
    Ihre Hand lag auf der Türklinke, und sie blickte ihn an, ein ratlos-mitfühlender Unschuldsengel.
    »Wenn Sie mir sagen würden, worum es geht, Aldo«, sagte sie schließlich sehr ruhig, »dann würde ich wissen, wonach ich Ausschau halten muß, oder?«
    Alle Ressentiments, alle Aggressivität waren fort. Nur kindliches Flehen blieb übrig. »Ich schweige wie ein Grab, ehrlich, Aldo. Sie können mir alles erzählen, sie würden’s mir nicht mit glühenden Zangen rausziehen. Nicht wenn es um Sie geht.«
    »Es ist privat«, sagte Cassidy schließlich, und seine Zunge schnalzte verlegen gegen seinen trockenen Gaumen. »Etwas ganz Privates. Vielen Dank.«
    »Oh«, sagte Angie.
    »Entschuldigung«, sagte Cassidy und kehrte zu seinem Fenster zurück, dessen Gardinen eine gefühllose Welt ausschlossen.
     
    Und wartete immer noch und ging zu einem aufreibenden Abendessen im prunklosen Hause von Doktor John und Soundso Elderman.
    Mrs. Elderman war eine vergeistigte Akademikerin und Vorsitzende der Laienspieltruppe; während ihrem Ehemann die wichtige Rolle von Cassidys Hausarzt zufiel. Die Cassidys hatten sich den Eldermans nicht eigentlich angeschlossen, sie hatten sich vielmehr zu ihnen herabgelassen, waren auf sie zurückgekommen, als stolzere gesellschaftliche Ambitionen gescheitert waren. John Elderman war ein Mann von geringer Körpergröße, der zwar seine allgemeine Praxis mit äußerster

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