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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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ich hasse sie auch. Unnützes kleines Pack«, sagte er.
    »Wißt ihr, was ich glaube?« Sandras Mutter, die am Eingang des Schlafzimmers auftauchte, dünn, mit blaugetönter Brille und einem Kleid in Kleinmädchengelb, und ein Kichern hartgeprüften Wohlwollens ausstieß. »Ich glaube, Gnade und Wahrheit bilden ein Paar.«
    »Hör doch auf, Mummy«, sagte Sandra.
    » Kommt , ihr Lieben«, drängte ihre Mutter, » küßt euch . Das hätte ich in eurem Alter getan.«
    »Mummy«, sagte Sandra.
    »Darling, solltest du nicht den Handwerkern etwas geben?«
    »Hat er schon«, versetzte Sandra. »Er hat ihnen fünf Pfund gegeben. Er ist wahrsinnig gewöhnlich.«
     
    Sie verließen das Haus in einer Prozession, mit jeweils drei Metern Abstand voneinander zogen sie den Straßenrand entlang. Cassidy trug Hugo auf den Armen wie einen verwundeten Kameraden, und Sandras Mutter bildete die Nachhut unter dem gefährlichen Klimpern ihres Klunkerschmucks.
    »Wenigstens ist er Arzt, Darling«, rief sie Cassidy über den Kopf ihrer Tochter hinweg verheißungsvoll zu.
    »Aldo haßt Ärzte«, gab Sandra zurück, »das weißt du doch. Ausgenommen natürlich Spezialisten«, fügte sie boshaft hinzu. » Spezialisten können keinen Fehler machen, nicht wahr? Spezialisten sind absolut unfehlbar, auch wenn sie fünfzig Guineas für eine Röntgenaufnahme berechnen.«
    »Warum ist Mummy böse?« fragte Hugo aus seiner Decke.
    »Weil Daddy getrunken hat«, höhnte Sandra.
    »Sie ist nicht böse«, sagte Cassidy. »Nur, Omi geht ihr auf die Nerven«, und drückte auf den Klingelknopf mit dem Vermerk ›Haus‹.
    »Wetten, daß du den falschen Abend erwischt hast«, sagte Sandra.
    »Willkommen, Alter!« rief John Elderman. Er trug, vielleicht um größer zu wirken, eine Kochmütze. Darunter betrachteten rosa gesäumte Augen vom blassesten Blau Cassidy mit naivem Scharfblick. Er stand sehr gerade da, die Schultern gereckt, aber die ganze Mühe half wenig.
    »Entschuldigt, daß wir so spät kommen«, sagte Cassidy.
    »Tolle Knopflochblume«, sagte Elderman.
    »Er trägt schon die ganze Woche welche«, sagte Sandra, als lieferte sie ihn der Polizei aus.
    Sie hat sich mit ihnen besprochen, dachte Cassidy; und jetzt werden sie mich beobachten.
    Heather Ast war bereits da. Er sah sie unter der Tür knien, den angenehmen Rumpf zu ihm aufgerichtet, während sie mit den widerlichen Eldermankindern spielte.
    »Hei, Heather!« rief er fröhlich.
    »Oh, hallo Sandra«, sagte Heather und nahm keine Notiz von ihm.
    »Hei Ast«, sagte Cassidy, fand jedoch kein Gehör.
     
    Er war, wie er sich sagte, in einer Menagerie menschlicher Affen. Dressierter hirnloser Affen. Noch nie hatte er die Eldermans in diesem Licht gesehen, doch jetzt wurde ihm klar, daß sie überhaupt keine Menschen waren, sondern Gibbons, und ihre Kinder waren heranwachsende Gibbons, die schnell groß wurden. Einzig die Niesthals wurden von diesem Urteil ausgenommen. Sie waren ein altes gravitätisches Ehepaar in Schwarz und gaben musikalische Soireen für befreundete Arier in einem sehr teuren Haus in St. John’s Wood. Cassidy mochte sie, weil sie hoffnungslos und liebenswürdig waren. Die Niesthals waren ein bißchen später gekommen, weil der alte Herr seine Galerie Alter Meister erst um sieben Uhr schloß; und sie standen vor den sich balgenden Kindern wie Wohltäter beim Besuch eines Arbeitshauses.
    »Wer ist das da?« rief Mrs. Niesthal und griff sich beherzt einen jungen Elderman. »Ach natürlich , ein Cassidy, schau, Friedl, man sieht es an den Augen , es ist ein Cassidy.«
    »Hör dir das an, John, alter Junge«, sagte Cassidy.
    »Ja, Alter.«
    »Die Niesthals mögen keine Kinder, weißt du.«
    »Macht nichts. Wir füttern sie ab, und dann rauf mit der ganzen Bande.«
    Aber ohne Hugo, du Schlächter.
    »Wir haben uns ein wenig erfrischt, wie ich höre«, sagte Heather boshaft aus dem Mundwinkel. »Übrigens, wem ist die Knopflochblume gewidmet?«
    »Miiau«, sagte Cassidy, weitaus hörbarer, als er beabsichtigt hatte; und zwei Eldermanmädchen nahmen das Stichwort auf und wiederholten es lautstark, miiau , miiau .
    »Wie eine Katze«, erklärte Mrs. Niesthal ihrem Mann, und sie marschierten, über mehrere herrenlose Hunde hinweg, die an der Tür auf Abfälle lauerten, ins Eßzimmer.
     
    Cassidy fühlte sich elend, und niemand nahm Notiz davon. Er war überzeugt, daß er blaß aussah, und er wußte, daß er Fieber hatte, aber niemand tröstete ihn, niemand senkte die Stimme in

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