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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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hübsch lange. Deine machen uns Sorgen. Das will ich ebenfalls aufschreiben, wenn ich mich noch daran erinnere.«
    Zum Teil, dachte Cassidy, ist dies eine innere Reise. Der erdgebundene Aldo Cassidy, en route nach Monte Carlo, lebt noch einmal sein Leben in der Gesellschaft seines Nomadenfreundes.
    »Lover.«
    »Hm.«
    »Wir gehn nie mehr zurück nach Paristown, nicht, Lover?«
    In Shamus’ Stimme schwingt Angst. Nicht alles ist Spiel auf dieser Reise.
    »Nie mehr.«
    »Ehrenwort?«
    »Ehrenwort.«
    »Lügner.«
    Ernüchtert betrachtete Cassidy noch einmal die Frage. »Sag, Shamus, warum willst du eigentlich nicht nach Paris zurück?«
    »Ist doch egal, oder? Wir tun’s nicht.«
     
    Zum Teil jedoch, wie berichtet, eine äußere Reise; denn als er wieder aufwachte, erörterte die Polizei aufs lebhafteste die Frage nach dem Besitzer des Pferdes.
    Sie befanden sich in der Nähe eines Privatflugplatzes, an einem Liegeplatz zwischen zwei blauen Transportern. Ein kleiner Doppeldecker setzte kreisend zur Landung an. Alle redeten durcheinander, aber der Kutscher, der per Fahrrad eingetroffen war, redete am lautesten. Er war ein alter grauhaariger Mann in Segeltuchhosen und einem langen Soldatenmantel, und er trat dem Grauen gegen die Vorderbeine und verwünschte ihn wegen seiner Fahnenflucht. Der Kutscher, der mit der Polizei übereinstimmte, daß Shamus keinerlei Verschulden treffe, wollte Cassidys Reiseschecks nicht annehmen, also gingen sie zu einer Bank, und die Polizei hielt Wache, während Cassidy zehnmal auf der punktierten Linie unterschrieb. Wie habe ich jemals im Morgengrauen einen Scheck kassiert?
     
    »Shamus«, sagte Cassidy, als ihm Bloburg und Meale einfielen und die Briefe aus Abalone Crescent, »ist es nicht Zeit zum Zurückfahren?«
    »Blasen«, sagte Shamus.
    Sie bliesen. Aus dem Haufen Zweige stieg dünner Rauch auf, aber keine Flamme. Ihre Anzüge lagen neben ihnen auf dem Schotter, wie tote Kameraden; dahinter ein ausgetrockneter Flußlauf, nur ein dünnes Rinnsal, worin sie gebadet hatten, und sprüngiger Lehm, der aus dem Burggraben zu Haverdown stammte. Hinter dem Fluß die Felder, hinter den Feldern ein Wald, ein Bahngleis und ein Streifen flämischen Himmels, der ins Unendliche führte.
    »Ohne Papier wirst du’s nie schaffen«, gab Cassidy zu bedenken. Er fror und war ziemlich nüchtern. »Wenn du mich meine Kleider anziehen läßt, könnte ich nach einem Taxi telefonieren.«
    Ein Zug fuhr über den Viadukt. Er war leer, aber in den Waggons brannten die Lampen.
    »Ich will kein Taxi.«
    »Warum nicht?«
    »Darum, also Schnauze. Ich will nicht nach Paris, und ich will kein Taxi.« Wieder pustete er und schauderte. »Und wenn du versuchst, dich anzuziehen, bringe ich dich um.«
    »Dann laß mich Papier suchen.«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Halt die Klappe! Du Scheißkerl! Halt die Klappe!«
    »Miiau«, sagte Cassidy.
    Die letzte Flasche war leer, sie stülpten sie auf einen Stock und zerschmetterten sie durch Artilleriebeschuß, jeder zehn Steine, die sie abwechselnd schleuderten. Und da tauchte der Junge auf, er war so alt wie Mark, sah aber jünger aus. Er trug eine Angel und einen Rucksack und saß auf einem holländischen Fahrrad der Marke, für die Cassidy die Konzession für das Vereinigte Königreich besaß. Zuerst verglich er ihre Genitalien, hier schwarz, dort blond, doch im übrigen wenig Unterschied, dann hob er einen Stein auf und warf ihn scharf und direkt nach dem Pfosten, wo die Flasche gewesen war.
    Cassidy schrieb eine Einkaufsliste und gab ihm zwanzig durchnäßte Franc.
    »Und paß auf an der Kreuzung«, warnte er ihn.
     
    »Also, ich persönlich bin der Meinung«, sagte Cassidy vorsichtig und zog den Korken mit den Zähnen heraus – der Junge, ein begabtes Kind, hatte den Verkäufer überredet, ihn zu lockern –, »wenn wir ein Taxi rufen würden …«
    »Lover«, unterbrach Shamus ihn.
    »Ja.«
    Ermuntert von mehreren Exemplaren der Pariser Blätter, hatten die Zweige endgültig Feuer gefangen. Ein Stück weiter am Ufer hatte der Junge seine Angel ausgeworfen.
    »Lover, meinst du, hier handele es sich um einen Widerstreit von Egos?«
    »Nein«, sagte Cassidy.
    »Von Es’?«
    »Nein.«
    »Ego kontra Seele? Ibsen?«
    »Überhaupt kein Widerstreit. Ich will zurück, du nicht. Ich möchte ein Bad und mich umkleiden, und du hast dich damit abgefunden, für den Rest deines Lebens wie ein Höhlenmensch zu hausen.«
    Der Stein traf ihn seitlich am Kopf, links, direkt

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