Wachsam
großer Skeptiker , denn er liebte die Welt des Augenblicks und alle ihre Reichtümer . Jonathan schmähte die Welt , und er war daher der Prophet einer besseren ; aber David war zu stumpf , um das zu verstehen , und Jonathan zu stolz , um es ihm zu sagen . In Davids Welt wurden die Ideale der Herde verwirklicht , denn er war einer aus der Herde , der beste der Viel-zu-vielen . Jonathan besaß die Naivität des Herzens , David hingegen das Rokoko der Seele …
»Aber was bedeutet es, Shamus?«
»Es bedeutet, daß du was zu trinken brauchst. Ehe ich dich nochmals steinige, weil du ein verfluchter Ketzer bist.«
Zum Bügeln eines Passes – dies ist eine Binsenweisheit, die Cassidy bisher noch nicht aufgegangen war – braucht man eine Nutte, Nutten haben das beste Fingerspitzengefühl.
»Sie sind die besten Plätterinnen der Welt«, erklärte Shamus. »Berühmt dafür. Und wenn sie den Paß geplättet hat«, fuhr er mit dem Stolz eines Experten für Leistungsanalysen fort, »dann kannst du sie ficken. Zeit, daß du deine Jungfernschaft verlierst.« Sie gingen also zur Gare du Nord, der Endstation attraktiver Züge, um ein Paar Hände aufzutreiben.
Ihre Rückkehr in die Stadt war nicht so triumphal, wie ihre Flucht gewesen war, konnte es vielleicht nicht sein. Cassidy hatte angenommen, sie würden direkt ins St . Jacques gehen. Er hatte sogar ein System erdacht, wie sie hineingelangen könnten, ohne die Halle zu durchqueren – den Portier bestechen und durch den Personaleingang hineinschlüpfen, das richtige für den Sohn eines Hoteliers – denn ihre Anzüge waren zwar einigermaßen trocken, aber eingelaufen und alles andere als adrett. Außerdem mußte er die Zügel wieder in die Hand bekommen; die Messe wurde allmählich zum Alptraum; und was war mit der Post und den Anrufen?
Shamus wollte davon nichts wissen. Die Stadt hatte ihn bereits düster gemacht; seine Stimmung war kritischer und weniger freundlich.
»Dieses beschissene ›St. Jacques‹ hängt mir zum Hals raus. Ein stinkiges Rattenloch. Voller verschissener Bischöfe, das weiß ich genau!«
»Aber Shamus, es hat dir doch gefallen -.«
»Ich hasse es. Scher dich zum Teufel.«
Er läuft weg, dachte Cassidy plötzlich: Diesen Blick kenne ich, es ist mein eigener.
»Wovor fürchtest du dich?« wollte er fragen; aber er war vorsichtig geworden und schwieg. Also suchten sie ein Hotel auf, das Shamus kannte, irgendwo in der Gegend der Rue du Bac, ein weißes Geviert in der Nähe einer Botschaft; die Straße war von Diplomatenautos gesäumt. Vielleicht hatten diese Autos Shamus zu der Forderung inspiriert, daß sie sich als Burgess und Maclean eintragen sollten.
»Shamus, meinst du wirklich?«
Natürlich meinte er es wirklich, verdammt noch mal, Cassidy könne seinen verdammten Geschäften nachgehen oder sonst jemandem, ja?
Ja.
Gute Hände findet man nicht massenhaft an der Gare du Nord, nicht einmal zur Hauptverkehrszeit an einem sonnenhellen Abend. Man findet Hände, die Gepäckstücke halten, Hände, die Regenschirme halten, und zärtliche Hände, die Händchen halten und ach, nicht zu trennen sind. Müde von der anstrengenden Suche saßen die beiden Freunde auf einer Bank, leerten ihre zerknitterten Taschen und warfen französischen Tauben Brotkrumen vor. Shamus war grämlich und sprach kaum. Cassidy hatte quälende Kopfschmerzen, und seine bis vor kurzem friedliche Kniescheibe hatte nach der Fahrradtour wieder angefangen, ihn zu piesaken.
»Gut«, sagte Shamus, als er es ihm erzählte.
Um die heraufziehende Mißstimmung abzuwenden, fing Cassidy an zu singen. Nicht eigentlich singen: leiern. Ein Lied eigener Erfindung, in moduliertem französischem Einerlei vorgetragen, eine recht passable Imitation von Maurice Chevalier.
Und so fanden sie Elise, das bekannte Anagramm von Elsie.
Ze Leedle birds of Paris
Zey ’ave a lerv’ly time
Zey ’ave a lerv’ly time ,
Until ze snow take all zeir
bread a – way …
Until ze snow take all zeir
bread a – way …
Shamus erwachte aus seinem Brüten und starrte Cassidy mit weitaufgerissenen Augen an . Es war das erste Mal , daß Cassidy für Shamus eine Stimme imitiert hatte , und Chevalier war eine seiner besten Nummern .
»Lover, sing weiter . Großartig. Erste Klasse, weiter! Himmel, großartig ist das, menschlich. Warum hast du mir das nicht gesagt?«
»Du machst Stimmen so viel besser nach.«
»Käse! Los, weiter , du Hundsfott, sing!«
Also fuhr Cassidy fort:
Zey
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