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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Blutung ist innerlich, und goß Whisky auf die betroffene Stelle.
    »Steckt es alles in den Kinderwagen?« fragte Shamus und meinte noch immer das Geld.
    »Lieber Gott, nein. Es ist gestreut.«
    »Früher einmal war ich reich«, sagte Shamus. Sie fuhren den Reitweg in Haverdown entlang: eine endlose Allee hoher Bäume. Nicht nach Süden, sondern ostwärts: Rote Sonne lag über dem Ende des Weges, und der Makadam schwamm in Blut.
    »Früher einmal war ich reich«, wiederholte Shamus und warf die leere Flasche auf den Weg.
    »Miiau«, sagte Cassidy mit den Worten des Meisters. »Selbstmitleid kann mir gestohlen werden.«
    »Gut gemacht«, lobte Shamus und stieß ihn hinaus auf den Weg. Aber Cassidy war auf den Angriff gefaßt gewesen und landete glatt, dank seinem militärischen Training.
    »Lover.«
    »Ja.«
    »Ist Monte Carlo eine Sache?«
    »Für eine Nacht oder so«, sagte Cassidy, der nie dort gewesen war.
    »Großartig. Wir fahren nach Monte Carlo.«
    Und er erteilte dem Pferd entsprechende Anweisung.
     
    »Fürchtet sich vor allem im Leben, außer vor dessen Weitergabe«, las Shamus vor. »Wie findest du das? Habe ich über dich geschrieben. Ich werde ihm ewige Dauer verleihen.« Verlaß dich auf deine hölzernen Räder. Schinderkarren. Aristos auf dem Weg zur Hinrichtung. Miß Mawdray, setzen Sie sich bitte sofort mit Park Ward’s in Verbindung und sagen Sie, ich möchte die Räder repariert haben.
     
    Cassidy war wieder eingedöst, und diesmal lag er neben Hugo senior, seinem Vater, in der Nacht, als sie mit der Bahn nach Torquay gefahren waren, um das Hotel Imperial zu kaufen. Old Hugo war damals noch nicht lange wieder da, einen Monat oder zwei vielleicht, und blieb immer noch vor den Türen stehen und wartete darauf, daß Cassidy sie für ihn aufhielt. Sie wollten zunächst nur rekogniszieren, später würden sie über die Finanzierung sprechen, womöglich sich mit einem der Großen in Verbindung setzen, mit Charles Clore oder dem Aga Khan, es kam darauf an, wem sie vertrauen könnten. Als sie im Zug auf den Essensgong warteten, fing der alte Mann zu weinen an. Cassidy, der diesen Laut noch nie vernommen hatte, glaubte zuerst, Old Hugo habe sich verschluckt, denn er schluchzte in hohen Würgetönen wie eine von Sandras Hündinnen, wenn ihr ein Knochen im Hals steckte.
    »Da«, sagte er und reichte ihm ein Taschentuch, »nimm«, und wandte sich wieder seiner Zeitung zu.
    Dann dämmerte ihm, daß Old Hugo keinen Knochen zu nagen hatte, nichts, woran er würgen konnte, außer seiner Schande; und er ließ die Zeitung sinken und starrte ihn an, die gebrochene Gestalt, die sich zusammenkauerte, um auf so kleinem Raum Platz zu finden, und die massigen Schultern, die in Einsamkeit zuckten, und die rotfleckige Glatze.
    Die Zeitung wieder hochhalten? Zu ihm hingehen?
    »Ich hole dir etwas zu trinken«, sagte er und besorgte eine Miniflasche von der Bar, er rannte einfach hin und schob die Wartenden beiseite.
    »Du hast dir Zeit gelassen«, sagte der alte Mann seelenruhig, als Cassidy zurückkam. Er las seinen Standard , die Windhundseite fesselte sein Interesse. »Was ist denn das? « Er beäugte die Miniflasche.
    »Whisky.«
    »Wenn du Whisky kaufst«, sagte der alte Mann und drehte das Fläschchen in seiner riesigen, völlig ruhigen Hand, »dann kauf eine anständige Marke oder gar keinen.«
    »Entschuldige«, sagte Cassidy. »Ich hab’ nicht dran gedacht.«
     
    »Lover.«
    »Ja, Shamus.«
    Eine Stunde war vergangen, vielleicht ein Tag. Die Sonne war verschwunden, der Weg war fad und finster, und die Bäume waren schwarz vor dem leeren Himmel.
    »Schau mir sehr nah ins Gesicht. Schaust du jetzt?«
    »Sicher«, sagte Cassidy, dessen Kopf noch immer mit geschlossenen Augen an Old Hugos Schulter lag.
    »Tief in die tiefsten Tiefen meiner unwiderstehlichen Augen?«
    »Tiefer.«
    »Während du dieses Bild betrachtest, Lover, sterben Tausende von Gehirnzellen an Altersschwäche. Schaust du immer noch?«
    »Ja«, sagte Cassidy und dachte: Dieses Gespräch ist in Wirklichkeit zeitlich vorausgegangen. Es hat mich auf meinen Vater gebracht.
    »Jetzt. Jetzt. Päng! Hast du gesehen? Tausende tot. Über das zerebrale Schlachtfeld verstreut. Husten ihr winziges Leben aus.«
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Cassidy tröstend, »du wirst ewig leben.«
    Lange Umarmungen unter den warmen Decken.
    »Ich habe nicht von mir gesprochen«, erklärte Shamus und küßte ihn. »Ich habe von dir gesprochen. Meine Zellen machen’s

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