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Wachtmeister Studer

Wachtmeister Studer

Titel: Wachtmeister Studer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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stand plötzlich in der Tür des Saales der Polizeihauptmann und sagte laut: »Hast dich wieder blamiert, Studer? Komm her, komm sofort her…« Studer zwängte sich aus der Bank, Sonja und Aeschbacher lachten ihn aus, der Herr im weißen Mantel war plötzlich der Lehrer Schwomm, und er sang: »Das ist die Liebe, die dumme Liebe…« Aeschbacher hatte noch immer seinen Daumen aufgereckt, der wuchs und wuchs, schließlich war er so groß wie die Zeichnung auf der Tafel… »Poroskopie«, rief der Lehrer Schwomm im Arztkittel, »Daktyloskopie!« schrie er. Und am Fenster stand der Kommissär Madelin, sah böse drein und fluchte: »Haben Sie Locard vergessen, Stüdère, fünfzehn und sechs und sechs und elf Punkte, das war zur Überführung genügend im Falle Desvignes. Und im Falle Witschi?… Alles vergessen, Stüdère? Schämen Sie sich.« Der Polizeihauptmann aber zog ein Paar Handschellen aus der Tasche und fesselte Studer. Dazu sagte er. »Aber ich zahl' dir keinen Halben Roten im Bahnhofbuffet. Ich nicht!« Studer weinte, er weinte wie ein kleines Kind, die Nase stach ihm, er zottelte hinter dem Polizeihauptmann her. Auf dem Rücken des Mannes, ganz nah vor Studers Augen, hing eine weiße Tafel. Darauf war wieder der Daumenabdruck. Und darunter stand in dicker Rundschrift: ›Keine Tannennadeln, aber ein verlorengegangener Abdruck…‹ Dann saß Studer in einer Zelle, zwei Betten waren darin. Auf dem einen lag der Schlumpf, eine blaue Zunge hing ihm aus dem Mund. Auch er hielt den Daumen der Rechten aufgereckt und blinzelte mit den Lidern. Er erhob sich, immer noch hing die Zunge aus seinem Mund, er schritt auf Studer zu, stand vor ihm und wollte ihm den Daumen ins Auge stoßen. Studer war gefesselt, er konnte sich nicht wehren, er schrie…–
    Der Mond schien ihm in die Augen. Sein Pyjama war feucht, er hatte ausgiebig geschwitzt. Lange blieb er wach liegen. Der Traum wollte sich nicht verscheuchen lassen und Studer hatte Angst, wieder einzuschlafen. Es war nicht der Daumen, der riesige Daumenabdruck, der ihn beschäftigte. Merkwürdigerweise wurde er das andere Bild nicht los, das er im Traume gesehen hatte: Aeschbacher, der seinen Arm um Sonjas Schultern gelegt hatte und ihn auslachte…
    Es war still draußen. Gerzensteins Lautsprecher schwiegen.

The Convict Band
    Der alte Ellenberger sah mit seinem weißen Verband rund um den Kopf einem Varietéfakir ähnlich, der seinen Vorstellungssmoking versetzt hat und nun in einem geliehenen Anzug spazieren gehen muß. Er spazierte zwar nicht, er saß einsam und still an einem der vielen runden Eisentischchen, die mit ihren roten Decken aussahen wie Fliegenpilze in der Phantasie eines expressionistischen Malers…
    Das Wetter war heiter, warm und es schien sogar beständig. Die Kastanienbäume im Garten des ›Bären‹ trugen steife rote Pyramiden an ihren Ästen und ihre Blüten fielen auf die Tische wie roter Schnee.
    Der Garten war groß; hinten, wo er durch einen Zaun abgeschlossen war, war eine Estrade aufgerichtet worden. Zwei Paare tanzten darauf. Fast an den Zaun geklebt spielte die Musik. Handharfe, Klarinette, Baßgeige. Als der Wachtmeister den Garten durchschritt, um den alten Ellenberger zu begrüßen, nickte er der Musik zu. Die drei nickten zurück, erfreut, schien es. Der Handharfenspieler lächelte, nahm einen Augenblick die Hand von den Bässen und winkte. Es war Schreier.
    Der Schreier, den Studer vor drei Jahren bei seiner Wirtin verhaftet hatte… Der Baßgeigenspieler schwenkte den Bogen – auch ein Bekannter, Spezialität Mansardendiebstähle, seit zwei Jahren hatte man auf der Polizei nichts mehr von ihm gehört…
    Studer setzte sich an des alten Ellenbergers Tisch.
    Begrüßung… – Wie geht's… – Schönes Wetter…
    Dann fragte der Ellenberger:
    »Sind die Äpfel schon reif, Wachtmeister?« und grinste mit seinem zahnlosen Mund.
    »Nein«, sagte Studer.
    Das Bier war frisch. Studer nahm einen langen Zug. Die Musik spielte einen Tango.
    »Zürcher Strandbadleben…« sagte der Alte mit der Miene eines Musikkenners. Er schnalzte dabei mit der Zunge. Die Beine hatte er von sich gestreckt. Schwarzseidene Socken und braune Halbschuhe…
    »A la vôtre, commissaire…« sagte der alte Ellenberger. Dann erkundigte er sich, ob der Wachtmeister auch französisch spreche.
    Studer nickte. Er sah dem Alten ins Gesicht – dies Gesicht hatte sich merkwürdig verändert. Die Züge waren noch die gleichen, aber der Ausdruck war ein anderer. So,

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