Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht
blieb am unteren Treppenabsatz stehen, und ich stoppte einige Stufen über ihm.
»Ich möchte nicht mehr mit dir reden, Karina.« Mit diesen Worten drehte er sich zu mir um und sah mir ernst in die Augen. Ich kannte diesen Blick. Frank war immer ernst – bei der Arbeit, zu Hause, auf Feiern, im Bett. Das lag daran, dass er einfach alles ernst nahm. Gespräche mit ihm waren immer intensiv und hintergründig, aber genau das hatte ich so an ihm gemocht. Er konnte selbst den albernsten Witzen noch philosophische Denkanstöße abgewinnen.
»Hör zu, Karina, als die Sache mit Lars war, diesem Jungautor, haben wir geredet, und alles war wieder gut. Auch bei der Geschichte mit diesem Grünen-Politiker, über den du nur schreiben solltest, haben wir geredet, und alles sollte wieder besser werden. Über deine Affäre mit Chris haben wir schon gar nicht mehr geredet, und jetzt habe ich keine Lust mehr zu reden.«
Ich wollte einwenden, dass der Fehltritt mit Lars ewig her und aus einer Verkettung unglücklicher Umstände hervorgegangen war, an deren Anfang Franks und mein erster Beziehungsstreit gelegen hatte. Aber das und auch die Tatsache, dass ich mit dem Grünen-Politiker wirklich nur einen Kaffee getrunken hatte, machten meine Statistik nicht unbedingt besser. Stattdessen warf ich zaghaft ein: »Es waren nur Interviews, Frank, es hatte nichts zu bedeuten.«
Frank stieß ein merkwürdiges Geräusch aus, das zwischen einem verzweifelten Lachen und einem nicht weniger verzweifelten Seufzen lag.
»Nur Interviews?! Karina, du weißt, dass ich deine Artikel immer toll fand. Deine Homestorys waren jedes Mal etwas Besonderes, weil man richtig gespürt hat, dass du dich für deine Interviewpartner interessierst. Bis mir klar wurde, warum. Dir fehlt die professionelle Distanz. Du musst auch mal Grenzen ziehen.«
Er schüttelte den Kopf und machte mit dieser einfachen Geste klar, wo seine Grenze lag. Keine noch so ehrlich gemeinte Entschuldigung konnte das wiedergutmachen, was ich kaputt gemacht hatte. Ich nickte mechanisch. Unsere Trennung war endgültig, von Frank ausgesprochen und besiegelt mit einer Kiste voll mit meinen letzten persönlichen Sachen.
»Ich wollte dir eigentlich nur den Karton vor die Tür stellen«, murmelte Frank leise. »Aber sie war offen, und deshalb bin ich reingekommen. Ich wollte dich nicht bei der Party stören.«
Frank hob kurz seine Hand und ging. »Mach’s gut.«
Ich wollte etwas erwidern, aber mir versagte die Stimme. Ich setzte mich auf die Stufen. Auf meinen Knien stand die Kiste, und wie hypnotisiert schaute ich hinein. Es waren nicht die üblichen Dinge, die einem der Ex nur brachte, um zu zeigen, dass er auch wirklich mit einem abgeschlossen hatte, und die er genauso gut hätte in den Müll werfen können. Keine Zahnbürste, Unterwäsche oder Geschirrspülmittel, sondern nur Sachen, die ich tatsächlich vergessen hatte. Mein Anrufbeantworter, mein Wecker, ein paar DVDs, sogar die, die eigentlich ihm gehörten, mir aber besonders gut gefallen hatten, und den Bildband von Kalifornien, den Frank mir zum Geburtstag geschenkt hatte. Eigentlich hatten wir geplant, dort unseren nächsten Sommerurlaub zu verbringen. Ich blätterte ein wenig darin und erschrak, als Tina sich plötzlich neben mich setzte.
»Hey, ich hab dich überall … Och, Kleine, was ist denn los?«
Sie legte den Arm um mich, und erst jetzt merkte ich, dass ich weinte. Die Tränen liefen mir einfach so über die Wangen, und ich konnte nichts dagegen tun.
»Frank«, brachte ich mühsam hervor. Tina reichte mir ein Taschentuch und nahm die Kiste von meinen Knien.
»Hat er das gerade vorbeigebracht?«
Ich schnäuzte mir lautstark die Nase und nickte.
»Na, der hat Nerven, heute hier aufzutauchen. Hör mal zu, Schätzchen. Ich packe jetzt diese dämliche Kiste aus, und du gehst dich im Bad wieder frisch machen. Und danach ist alles wieder so wie vorher, und Frank ist nie hier gewesen, ja?«
Ich nickte wieder und ließ mich von ihr widerstandslos ins Bad manövrieren. Ich schüttete mir kaltes Wasser ins Gesicht und wartete, bis meine Augen und meine Wangen nicht mehr rot und verquollen waren. In einem einigermaßen wiederhergestellten Zustand verließ ich das Badezimmer und wollte mich unauffällig unter die Tanzenden mischen, aber im Wohnzimmer war es plötzlich merkwürdig ruhig geworden. Es dauerte eine Weile, bis mir klar wurde, dass die Musik fehlte. Klaus stand nicht mehr am Mischpult, und offensichtlich fühlte sich
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