Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht
freizügiges Privatleben Bescheid. Zum Glück machte er den Anfang.
»Soll ich die Leute nach Hause schicken?«
»Was?« So viel Mitgefühl hatte ich gar nicht erwartet. »Nein, danke. Das ist echt nett, aber ich will die Feier nicht noch peinlicher machen, als sie schon ist. Ich werde einfach das hier entsorgen.« Dabei nahm ich die Kassette aus dem Anrufbeantworter, die gemessen an dem Unheil, das sie angerichtet hatte, unverschämt winzig war. »Und dann verkrieche ich mich in eine Ecke und betrinke mich sinnlos.«
Das sollte witzig klingen, war aber tatsächlich die einzige Lösung, die mir einfiel. Tim nickte kurz und ging. Auf dem Balkon zertrat ich wütend die Kassette und warf sie mit einem lauten Schrei über die Brüstung. Jetzt konnte es mir auch egal sein, was die Leute von mir dachten. Dieser Abend war einfach nur schrecklich, und ich hätte am liebsten meinen ganzen Frust hinausgeschrien. Aber dann begnügte ich mich damit, mich hinter die Bierkisten zu verkriechen und davon eins nach dem anderen in mich hineinlaufen zu lassen. Schließlich hatte ich an diesem Abend meinen Freund wegen meiner Affären, meine Affäre wegen meiner Lügen und meine beste Freundin wegen meiner Affären und Lügen verloren. Ich hatte das Recht auf ein anständiges Besäufnis.
KALTES
ERWACHEN
Als ich wieder zu mir kam, war mein Körper tiefgefroren. Es war stockduster, aus meiner Wohnung kam kein Laut mehr, und ich saß immer noch auf einer Bierkiste auf dem Balkon. Ich schleppte mich in mein Schlafzimmer, legte mich, so wie ich war, ins Bett und versuchte, wieder einzuschlafen, bevor mein Kopf sich von der Schockfrostung erholt hatte und der Kater voll zuschlagen würde. Ich wachte erst gegen Mittag wieder auf und hatte die schlimmsten Kopfschmerzen meiner langjährigen Alkohollaufbahn. Mit jedem Pulsschlag pochte das Blut in meinen Schläfen schmerzhafter. Ich musste meine ganze Kraft aufbringen, um die nächsten Handlungsschritte sinnvoll zu planen. Ich quälte mich aus dem Bett und machte mir einen besonders starken Kaffee. Die Koordination zwischen Körper und Gehirn nahm vorerst meine gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch, so dass ich mir noch keine Gedanken über die Ereignisse des letzten Abends machen konnte. Ich fühlte mich auch der Verwüstung in meiner Wohnung noch nicht gewachsen und nahm mir stattdessen etwas zu essen von dem geplünderten Buffet. Dann legte ich mich wieder ins Bett. Sollten sich Tinas Ankündigungen von gestern Abend als endgültig erweisen, hatte ich ohnehin Wichtigeres zu tun, als meine Wohnung aufzuräumen. Und vielleicht war es auch besser, erst mal noch eine Nacht darüber zu schlafen, um keine voreiligen Entscheidungen zu treffen.
Aber am nächsten Tag war ich krank. Ich hatte mir auf dem Balkon eine ordentliche Erkältung eingefangen. Mein Kopf fühlte sich an wie ein Heißluftballon, mein Körper schmerzte von oben bis unten, und mein Hals brannte so sehr, dass ich kaum die Aspirintabletten schlucken konnte, von denen ich mich den ganzen Tag ernährte. Ich hatte keine Kraft, um aufzustehen und wieder Ordnung in meine Bude und mein Leben zu bringen.
Am dritten Tag kam ich vor Kopf- und Gliederschmerzen fast um.
Am vierten Tag war ich tot.
Das dachte ich jedenfalls, bis meine Wohnungstür aufgebrochen wurde und ich mich aus dem Bett quälen musste, um die Einbrecher zu verscheuchen. Zum Glück waren es nur Özlem und Tim. Zu einem Kampf auf Leben und Tod fühlte ich mich auch nicht wirklich in der Lage.
»Gott sei Dank, du lebst.«
Ich hatte ein entferntes Déjà-vu-Gefühl, aber ich war mir diesmal nicht sicher, ob ich noch lebte.
»Aber was ist denn das für ein Verwesungsgeruch?«, rief Özlem aufgeregt.
»Bei der Kälte verwest man nicht so schnell«, hörte ich mich sagen, dann wurde mir schwarz vor Augen.
Als ich sie wieder aufschlug, starrte ich in Tims Gesicht.
»Bin ich jetzt tot?«
»Noch nicht, aber der Gestank aus der Küche kommt der Hölle schon recht nahe.«
Wieso glaubte er eigentlich, dass ich in die Hölle kommen würde? Leider fühlte ich mich zu matt, um diese Sache mit ihm auszudiskutieren.
»Du hast eine ziemlich heftige Erkältung. Aber du wirst es wahrscheinlich überleben, wenn du dich nicht vorher mit diesen Dingern hier vergiftest.« Er zeigte auf die inzwischen leere Aspirinschachtel.
»Karina, Karina, bist du wieder wach?« Özlem kam aus der Küche angelaufen. »Ich habe mir vielleicht Sorgen gemacht. Ich habe dich tausend Mal angerufen,
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