Wächter der Menschheit - Green, S: Wächter der Menschheit - The Man with the Golden Torc
geschlafen als ich! Betreibt ihr Leute eigentlich nicht mal mehr Grundlagenforschung?«
»Nun, hast du wenigstens im Moment jemand im Auge, Edwin?«
Ich zog in Erwägung, ihr von Silikon Lily zu erzählen, war aber über die Versuchung erhaben. »Niemand Besonderes, Großmutter«, sagte ich.
»Ich hoffe, du bist ... vorsichtig, Edwin«, sagte Alistair mit einer noch versnobteren Stimme als sonst. »Du weißt, welche Ansichten die Familie über uneheliche Kinder hat.«
Ich schaute ihn einen Moment lang an, dann sagte ich: »Ich bin immer vorsichtig, Alistair.«
»Letzten Endes«, sagte Alistair, »egal wem du dich schließlich zuwendest, sie muss für die Familie akzeptabel sein.«
»So wie du, Alistair?«, fragte ich.
Erneut beschloss Martha, das Thema zu wechseln. »Du bist ins Herrenhaus zurückgerufen worden, Edwin, weil ich einen sehr wichtigen und sehr dringenden Auftrag für dich habe.«
»Etwas in der Art hatte ich mir schon zusammengereimt«, meinte ich. »Dürfte ich mal fragen, was so wichtig sein könnte, dass ich den ganzen Weg hierhergeschleift werden musste, nur um es zu besprechen? Was ist los mit den üblichen Kanälen?«
»Es ist eine Frage der Sicherheit«, erklärte Martha. »Und du musst es sein, weil alle anderen beschäftigt sind - beschäftigter denn je. Du siehst ja die Anzeigen: Die ganze Familie ist gefordert bis an ihre Grenzen. Und du hast gesehen, was gerade im Sanktum passiert ist. Einst wäre ein solcher Angriff undenkbar gewesen, doch nun ist die ganze Familie bedroht. All unsere größten Bemühungen müssen gegenwärtig der Verteidigung der Familie und der Identifikation der Aggressoren gelten. Der Auftrag, den ich jetzt für dich habe, Edwin, ist deine Chance, endlich deinen Wert zu beweisen und in den Schoß der Familie zurückzukehren. Führe diese Mission erfolgreich durch, und du hast dir einen Sitz im Rat verdient.« Sie hielt inne und überlegte sich ihre Worte sorgfältig. »Einige von uns sind zu der Überzeugung gelangt, dass es einen Verräter geben muss, vielleicht im innersten Kern der Familie. Ich bin nicht mehr sicher, wem ich vertrauen kann. Selbst mein eigener Rat ist in letzter Zeit ... uneins und streitsüchtig. Als Außenseiter siehst du vielleicht Dinge, die uns Übrigen verborgen bleiben. Beweise dich mit dieser Mission, Edwin! Ich wüsste deine Stimme in meinem Rat zu schätzen.«
Ich stand bloß da und schaute sie an. Das hatte ich wirklich nicht erwartet! Der Rat war der Ort, wo über die Familienpolitik bestimmt wurde. Wo alle Entscheidungen getroffen wurden, auf die es ankam. Es war mir ehrlich nie auch nur in den Sinn gekommen, dass ich eines Tages darin landen könnte. Ich war nicht einmal sicher, ob ich so eine Ehre wollte, oder so eine Verantwortung, aber ich muss gestehen, dass ich versucht war. Wenn auch nur, um meine neue höhere Stellung dazu benutzen zu können, andere wie mich in der Familie zu erkennen und ihnen zu helfen.
»Wie lautet der Auftrag?«, fragte ich mit ausdrucksloser Stimme.
Zum ersten Mal lächelte die Matriarchin kurz. »Dein Auftrag lautet, die Seele Albions nach Stonehenge zurückzubringen und sie wieder unter dem Hauptopferaltar zu vergraben, wo sie hingehört. Wenn sie erst einmal wieder am richtigen Platz ist, wird die Seele wieder sicher sein; die Steine werden sie beschützen. In den falschen Händen könnte die Seele England zu Fall bringen - und vielleicht sogar die Droods.«
Noch während sie sprach, nickte ich: Darum musste sich die Diskussion gedreht haben, die Jacob und ich in seinem toten Fernseher gehört hatten.
Martha wendete sich an ein halbes Dutzend bewaffneter Wachen, die daraufhin eine große Eichentruhe nach vorn brachten, die mit massiven Silberriegeln und Kalteisenvorhängeschlössern fest verschlossen war. Obendrein knisterte die ganze Truhe förmlich vor Schutzzaubern. Die Wachen hätten nicht respektvoller damit umgehen können, wenn sie bis zum Rand mit Nitroglyzerin gefüllt gewesen wäre. Sie stellten die Truhe ganz behutsam zu Marthas Füßen ab und zogen sich dann so schnell zurück, dass sie fast übereinander stolperten. Martha bedachte sie mit einem ihrer besten eisigen Blicke und öffnete dann mit einem Wort die Bänder und Vorhängeschlösser. Sie schnappten auf, eins nach dem anderen, und augenblicklich begannen die Verteidigungszauber warm zu laufen, bis Martha sie mit einer schnellen Geste stilllegte. Der Truhendeckel klappte von selbst auf, und Martha griff hinein und
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