Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
Drusus den Bann abschüttelte. Ein vielversprechender Beginn des Kampfes. Doch Lachlan hatte keine Zeit, zu triumphieren. Drusus schleuderte eine Reihe glühender weißer Feuerbälle auf ihn. Sie alle trafen denselben Punkt in Lachlans Schutzschild und bissen sich tief hinein, bis sie fast durchbrachen. Der Dämon war ein Abbild kalter Entschlossenheit und drang unbarmherzig auf den Seelenwächter ein. Lachlan musste auf dem unebenen Steinboden zurückweichen, um sich dem vierten, beinahe tödlichen Angriff zu entziehen. Zugleich parierte er einen glatten und sehr präzisen Hieb des Dämons, der seine Klinge hatte brechen sollen. Feuerbälle waren nicht die einzigen Waffen, die dieser Ausgeburt der Hölle zu Gebote standen.
Kaum hatte Lachlan die Schwachstelle in seinem Abwehrzauber geflickt, als der Dämon dafür sorgte, dass sich mit einem Windstoß eine Horde toter Fledermäuse erhob. Sie regneten auf Lachlans Schild herab, den sie zwar nicht durchdringen konnten, aber sie nahmen Lachlan mit dem schaurigen Geflatter ihrer Flügel die Sicht. Der Schild musste einen weiteren schweren Treffer durch Drusus hinnehmen, und Lachlan ließ sich instinktiv nach rechts fallen. Er schlug gegen das Holzgestell des Diwans und kam stöhnend wieder auf die Beine. Dankbar für die Bewegungsfreiheit, die ihm sein Kilt gewährte, und vorerst befreit von den Geisterfledermäusen, fing er einen weiteren meisterhaften Schwerthieb des Dämons auf und schleuderte einen Zauber in die Schatten. Bei dem schauerlichen Geheul, das sich sogleich erhob, bekam er Gänsehaut. Die Schatten begannen sich zu bewegen, und ein grausiger Kälteschauer senkte sich wie schwerer Tau auf Lachlan herab. Lange tiefschwarze Finger krochen aus jeder dunklen Felsspalte in der Höhle. Unter lautem Gekreisch brachen die untoten Fledermäuse aus und versuchten zu fliehen, während die Fledermäuse aus Fleisch und Blut, die Lachlan heraufbeschworen hatte, in schneller Jagd über die Wände glitten und es scheinbar gar nicht erwarten konnten, ihre Geistergenossen zu verspeisen.
Und wieder standen sich Lachlan und Drusus allein gegenüber. Mit einem Mal ließ der Dämon einen Regen aus zahllosen nadelspitzen Stalaktiten von der Decke fallen. Doch damit nicht genug: Durch jede Felsspalte lief ein träger Strom aus Schlamm in die Höhle, saugte an Lachlans Stiefeln und verlangsamte seine Bewegungen. Drusus hingegen zeigte sich unbeeindruckt von dem verhängnisvollen Schlick. Er war Tausende Jahre durch den Morast des Styx gewatet, seine Muskeln waren daran gewöhnt, und so hatte er einen sicheren Stand und schwang sein Schwert zielstrebig und ohne Unterlass. Während Lachlan verzweifelt die Hiebe des Dämons abwehrte, zermarterte er sich das Hirn nach einem Zauber aus dem
Buch Gnills,
der den immer tiefer werdenden Sumpf verschwinden lassen konnte. Aber es fiel ihm keiner ein. Stattdessen verwandelte Lachlan den Schlamm in Klumpen aus gefrorenem Dreck, die er in schneller Folge auf Drusus abfeuerte.
Doch jeder Schattenzauber forderte seinen Preis. Während Lachlan die erbitterten Attacken des Dämons mit neuen Zaubern beantwortete, verschwanden mehr und mehr Dinge aus der Höhle. Der Diwan, der Messingkessel, die Kissen, die Vorhänge – alles löste sich in Luft auf. Aber das war nicht annähernd so besorgniserregend wie die Tatsache, dass sich die Luft selbst zu verzerren begann und flirrte wie an einem heißen Sommertag. Die Höhle schien zu schwanken, und Lachlan wusste, dass ihm nur noch wenig Zeit für den einen Zauber blieb, mit dem er Drusus in die Knie zu zwingen vermochte. Magie, die jeden anderen zum Krüppel gemacht oder erblinden lassen hätte, war wirkungslos, weil sie den mächtigen Schildzauber des Dämons nicht durchdringen konnte. Lachlan musste sich etwas anderes ausdenken, etwas, das Drusus zur Strecke bringen würde. Aber, verdammt noch mal, was?
Die Wände des Gangs erzitterten erneut. Rachel duckte sich und hielt die Arme schützend über den Kopf. Bruchstücke von Felsen gingen in einer Staubwolke auf sie nieder und machten den Pfad vor ihr noch unwegsamer. Nach ihrem Zeitgefühl hatte sie Drusus’ Versteck fast erreicht, doch bei jedem weiteren Beben musste sie gegen die wilden Klauen der Angst ankämpfen. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, fast fehlte ihr die Luft zum Atmen. Allein im Dunkel fiel es Rachel schwer, sich nicht das Schlimmste auszumalen: im Tunnel zu sterben, begraben unter Tonnen von Gestein, ohne zu Lachlan gelangt zu
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